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1-2-3-4-5-6-7-8-9-10-11-12- zweiter Teil

pascal                              Blaise Pascal

Pensées sur la religion et sur quelques autres sujets

Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände

 

 Erster Theil:
Gedanken, die sich auf Philosophie, Moral und schöne Wissenschaften beziehn

Dritter Abschnitt.

Von der Kunst zu überzeugen.

Die Kunst zu überzeugen steht in nothwendiger Beziehung zu der Weise, wie die Menschen in das, was man ihnen vorstellt, einstimmen und zu Bedingungen dessen, was man glauben machen will.

Jedermann weiß, daß es zwei Eingänge giebt, wodurch die Meinungen sich in die Seele schleichen, das sind diese beiden Hauptvermögen: der Verstand und der Willen. Der natürlichste Eingang ist der des Verstandes, denn man sollte beistimmen nur den bewiesenen Wahrheiten; aber der gewöhnlichste, wenn auch widernatürliche, ist der des Willens, denn alle Menschen, die es nur giebt, werden beinahe immer zum Glauben hingerissen nicht durch den Beweis, sondern durch das Wohlgefallen.

Dieser Weg ist niedrig, unwürdig und seltsam, auch leugnet jedermann ihn ab. Jeder stellt sich, als glaube er und liebe sogar nur, was er dessen würdig erkannt hat.

Ich rede hier nicht von den göttlichen Wahrheiten, die[ ich nicht unter die Kunst zu überzeugen stellen darf; denn sie sind unendlich erhaben über der Natur, Gott allein kann sie in die Seelen einpflanzen und zwar auf die Weise, die ihm beliebt. Ich weiß, er hat gewollt, daß sie aus dem Herzen in den Geist übergehen und nicht aus dem Geist ins Herz, um dieses hochmüthige Vermögen der Vernunft zu demüthigen, das sich anmaßt Richter zu sein über die Dinge, welche der Wille wählt, und um diesen kranken Willen zu heilen, der sich durch seine unwürdigen Anhänglichkeiten ganz verderbt hat. Und daher kommt es, wenn man von den menschlichen Dingen sagt, man müsse sie kennen, ehe man sie liebe (was zum Sprichwort geworden ist) so sagen die Heiligen im Gegentheil, wenn sie von göttlichen Dingen reden, man müsse sie lieben und sie zu kennen und man dringe in die Wahrheit nicht anders als durch die Liebe, woraus sie einen ihrer heilsamsten Sprüche gemacht haben.

Hierin zeigt sich, daß Gott diese Ordnung gegründet hat, die übernatürlich und ganz der Ordnung entgegen ist, welche den Menschen in den natürlichen Dingen natürlich sein sollte. Sie haben aber diese Ordnung verkehrt, indem sie mit den weltlichen Dingen thun, was sie mit den heiligen Dingen thun sollten, weil wir in der That fast nichts glauben als was uns gefällt. Daher kommt es, daß wir so weit entfernt sind den Wahrheiten der christischen Religion bei zu stimmen, da sie unsern Freunden ganz entgegen gesetzt ist. »Ganz uns angenehme Sachen und wir werden dir gehorchen,« sagten die Juden zu Mose, als wenn das Wohlgefallen die Regel für den Glauben geben soll. Und eben um diese Unordnung zu strafen nach einer Ordnung, die ihm gemäß ist, gießt Gott nicht eher sein Licht in die Seele, als bis er die Empörung des Willens gedämpft hat mit einer ganz himmlischen Sanftmuth, die ihn entzückt und mitreißt.

Ich spreche also nur von den Wahrheiten, die wir fassen, und von diesen behaupte ich, daß der Verstand und das Herz gleichsam die Thüren sind, durch welche sie in die Seele hinein gelangen, daß aber sehr wenige durch den Verstand eingehen, wogegen sie in Menge durch die kecken Einfälle des Willens eingeführt werden ohne den Rath der Vernunft.

Diese Vermögen haben jedes ihre Prinzipien und erste Urheber ihrer Handlungen.

Die des Geistes sind natürliche und aller Welt bekannte Wahrheiten, wie z.B., daß das Ganze größer ist als sein Theil und außerdem mehre besondere Axiome, die einige annehmen und andre nicht, die aber, sobald sie zugegeben werden, wenn gleich falsch, doch eben so mächtig sind den Glauben zu erlangen als die wahrsten.

Die des Willens sind gewisse natürliche und allen Menschen gemeine Wünsche, wie z.B., der Wunsch glücklich zu sein, welchen kein Mensch nicht haben kann, und außerdem mehre besondere Gegenstände, denen jeder nachgeht um sie zu erlangen und die in der Kraft uns zu gefallen, wenn gleich in Wahrheit verderblich, doch eben so stark sind unsern Willen zum Handeln zu bewegen, als wenn sie sein wahres Glück machten.

Das ists, was über die Vermögen, die uns zur Zustimmung bewegen, gesagt werden mußte. Was aber die Eigenschaften der dinge, von denen wir überzeugen wollen, anbetrifft, so sind sie sehr verschieden.

Einige entnimmt man durch eine nothwendige Folgerung aus den allgemeinen Grundsätzen und zugestandenen Wahrheiten. Von diesen kann man unfehlbar überzeugen, denn wenn man die Beziehung, die sie zu den zugestandenen Wahrheiten haben, nachweist, so ist es eine unvermeidliche Nothwendigkeit, sie müssen überzeugen und es ist unmöglich, daß die Seele sie nicht annimmt, sobald man sie unter jene zugelassene Wahrheiten hat einreihen können.

Einige haben eine enge Verbindung mit den Gegenständen unsers Vergnügen und diese werden auch mit Gewißheit angekommen; denn sobald man der Seele bemerklich machen kann, so ist es unvermeidlich, sie ergreift es mit Freuden.

Diejenigen gar, welche diese Verbindung zusammen mit den zugestandenen Wahrheiten und mit den Wünschen des Herzens haben, sind ihrer Wirkung so gewiß, daß nichts in der Welt gewisser ist, wie im Gegentheil was weder zu unsern schon vorhandenen Ueberzeugungen noch zu unsern Wünschen eine Beziehung hat, uns ungelegen, falsch und gänzlich fremd ist.

In allen diesen Fällen giebt es nichts zu zweifeln. Allein es giebt Fälle, wo das, was man glauben machen will, sehr wohl auf anerkannten Wahrheiten beruht, aber auf solchen, die zu gleicher Zeit unsern liebten Freuden entgegen sind. Und dieses ist dann nach einer nur zu gewöhnlichen Erfahrung in großer Gefahr das, was ich am Anfange gesagt, an den Tag zu bringen, daß diese hochmüthige Seele, die sich rühmte nur nach Vernunft zu handeln, mit einer schimpflichen und vermessenen Wahl dem nachgeht, was ein verderbter Willen begehrt, welchen Widerstand auch der zu aufgeklärte Geist entgegen setzten möge.

Dann beginnt ein zweifelhaftes Schwanken zwischen der Wahrheit und der Lust und die Erkenntniß der ersten und das Gefühl der andern erheben einen Kampf, dessen Erfolg sehr ungewiß, was in dem Innersten des Menschen vorgeht und was der Mensch selbst beinahe niemals weiß.

Daraus geht dies hervor: man muß, wovon man auch überzeugen wolle, Rücksicht nehmen auf den Menschen, auf den man es abgesehen hat; man muß dessen Geist und Herz kennen, muß wissen, welchen Grundsätzen er beistimmt, welche Dinge er liebt, und ferner bei er Sache, um die es sich handelt, acht geben, welche Beziehung sie hat zu den zugestandenen Grundsätzen oder zu den Gegenständen, die wegen der Reize, die man ihnen beilegt, als köstlich angesehen werden. So besteht denn die Kunst zu überzeugen eben so wohl in der Kunst zu überzeugen eben so wohl in der Kunst annehmlich zu machen als in der Kunst zu überführen, so sehr lassen sich die Menschen mehr von Einfällen sich die Menschen mehr von Einfällen als von der Vernunft regieren!

 

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