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Blaise Pascal Pensées sur la religion et sur quelques autres sujets Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände
Erster Theil: Siebenter Abschnitt. Elend des Menschen. 1. Nichts ist mehr geeignet uns in die Kenntniß des menschlichen Elends zu leiten, als die Betrachtung der wahren Ursache von der beständigen Unruhe, in welcher die Menschen ihr Leben hinbringen. Die Seele ist in den Leib gesetzt um darin kurze Zeit zu wohnen. Sie weiß, daß dieses nur ein Uebergang ist zu einer Reise in die Ewigkeit und daß ihr nur die kurze Zeit, die das Leben dauert, gegeben ist um sich darauf vor zu bereiten. Die Bedürfnisse der Natur rauben ihr einen sehr großen Theil dieser Zeit und es bleibt ihr davon nur sehr wenig, worüber sie verfügen kann. Aber dies wenige, was ihr bleibt, fällt ihr so sehr zur Last, und setzt sie so sonderbar in Verlegenheit, daß sie nur dran denkt es zu verlieren. Es ist ihr eine unerträgliche Pein, daß sie genöthigt ist mit sich zu leben und an sich zu denkt. So ist es ihre einzige Sorge sich selbst zu vergessen und diese Zeit, die so kurz und so kostbar ist, verfliegen zu lasen ohne Betrachtung, unter der Beschäftigung mit Dingen, die sie hindern daran zu denken. Daraus entstehen alle leidenschaftlichen Beschäftigungen der Menschen und alles, was man Belustigung oder Zeitvertreib nennt, in welchen man eigentlich nichts anders zum Zweck hat als die Zeit vergehn zu lassen, ohne sie zu fühlen oder vielmehr ohne sich selbst zu fühlen und diesen Theil des Lebens zu verlieren, um so der Bitterkeit und dem innern Ekel zu entgehn, welche die nothwendige Folge sein würden, wenn man während der Zeit die Beobachtung auf sich selbst richten wollte. Die Seele findet nicht in sich was sie befriedigt, sie sieht da nichts, was sie nicht bekümmert, wenn sie daran denkt. Das zwingt sie sich nach Außen zu verbreiten und in der Hingebung an äußere Dinge die Erinnerung an ihren wahren Zustand zu verlieren. Ihre Freude besteht in diesem Vergessen und um sie elend zu machen genügt es sie zu nöthigen, daß sie sehe und mit sich allein sei. Man legt den Menschen von Kindheit von Kindheit an die Sorge auf für ihre Ehre, für ihre Güter und sogar für das Gut und die Ehre ihrer Verwandten und Freunde. Man überladet sie mit dem Studium der Sprachen, Wissenschaften, Leibesübungen und Künste. Man bürdet ihnen Geschäfte auf, und thut ihnen dar, wie sie nicht glücklich sein werden, wenn sie nicht durch ihre Betriebsamkeit und ihre Sorgfalt machen, daß ihr Vermögen und ihre Ehre und selbst das Vermögen und die Ehre ihrer Freunde in gutem Stande sei, und wie sie unglücklich werden, wenn ihnen ein einziges von diesen Dingen fehlt. So giebt man ihnen Aemter und Geschäfte, die ihnen zu schaffen vom Morgen bis an den Abend. Das, sagt ihr, ist eine seltsame Art sie glücklich zu machen. Was könnte man Besseres thun, sie unglücklich zu machen? Fragt ihr, was man thun könnte? Man brauchte ihnen nur alle diese Sorgen zu nehmen, denn alsdann würden sie sich selbst sehen und an sich selbst denken, und das eben ist ihnen unerträglich. Auch nachdem sie sich mit so vielen Geschäften beladen, wenn sie noch einige Zeit der Erholung haben, suchen sie auch diese zu verlieren in irgend einem Vergnügen, das sie ganz in Besitz nimmt und sie sich selbst entreißt. Darum, wenn ich anfing das mannigfaltige Hin-und Hertreiben der Menschen zu betrachten, wie sich den Gefahren und Mühseligkeiten aussetzen, am Hofe, im Kriege, bei der Verfolgung ihrer ehrgeizigen Ansprüche und wir daraus so viele Zwistigkeit, Leidenschaften und gefährliche und verderbliche Unternehmung entspringen, dann habe ich oft gesagt, alles Unglück der Menschen kommt davon her, daß sie nicht verstehn sich ruhig in einer Stube zu halten. Ein Mensch, der Güter genug hat um zu leben, wenn er bei sich daheim zu bleiben verstände, würde sich nicht heraus machen um aufs Meer zu gehn oder zur Belagerung einer Festung und wenn einfach nur zu leben suchte, bedürfte man dieser so gefahrvollen Beschäftigung wenig. Aber wenn ich es näher betrachtete, fand ich: daß die Menschen so entfernt davon sind in der Ruhe und bei sich selbst zu bleiben, das hat eine sehr wahre Ursache, nämlich das natürliche Unglück unsers Zustandes, der schwach und sterblich ist und so elend, daß nichts uns trösten kann, wenn nichts uns hindert daran zu denken und wir nichts sehn als uns. Ich rede nur von denen, die sich betrachten ohne irgend Rücksicht auf Religion zu nehmen. Denn freilich das ist einer von den Vorzügen der Christlichen Religion, daß sie den Menschen mit sich selbst versöhnt, indem sie ihn mit Gott versöhnt, daß sie ihm den Augenblick seiner selbst erträglich macht, und bewirkt, daß die Einsamkeit und die Ruhe vielen angenehmer sind als das rastlose Treiben und der Umgang der Menschen. Auch bringt sie alle diese wundervollen Wirkungen nicht dadurch hervor, daß sie den Menschen auf sich selbst beschränkt, sondern nur indem sie ihn bis zu Gott erhebt und ihn indem Gefühl seines Elends aufrecht hält durch die Hoffnung eines andern Lebens, das ihn ganz davon befreien soll. Aber diejenigen, die nur nach den Regungen handeln, die sie in sich ihrer Natur finden, können in jener Ruhe, die ihnen Anlaß giebt sich zu betrachten und sich zu sehen, unmöglich aushalten, ohne unablässig von Kummer und Traurigkeit ergriffen zu werden. Der Mensch, der nur sich liebt, haßt nichts so sehr als mit sich allein zu sein; er sucht nichts als nur für sich und flieht nichts so sehr als sich, denn wenn er sich sieht, sieht er sich nicht so wie er sich wünscht und findet in sich eine Masse von unvermeidlichen Schwächen und einen Mangel an wahren und sichern Gütern, den er nicht im Stande ist aus zu füllen. Man wähle welches Verhältniß man wolle, und vereinige darin alle Güter und alle Freuden, die einen Menschen scheinen befriedigen zu können; wenn der, welchen man in diesen Stand versetzt, ohne Beschäftigung ist und ohne Zerstreuung und man läßt ihn Betrachtungen anstellen über das, was er ist, so wird jene schwache Glückseligkeit ihn nicht aufrecht halten. Er wird nothwendig fallen bei den betrübenden Aussichten der Zukunft und wenn man ihn nicht außer sich beschäftigt, ist er nothwendiger Weise unglücklich. Die königliche Würde, ist sie nicht an groß genug um den, der sie besitzt, glücklich zu machen durch den Bloßen Anblick dessen, was er ist? Wird es noch nöthig sein auch ihn von diesem Gedanken ab zu lenken wie den gemeinen Mann? Ich sehe wohl, daß man einen Menschen glücklich macht, wenn man ihn vom Anblick seines häuslichen Elends abwendet und seine Gedanken ganz erfüllt mit dem Eifer schön zu tanzen. Aber wird es derselbe Fall mit einem König sein? und wird er glücklicher sein, wenn er solchen eiteln Ergötzlichkeiten nachhängt, als wenn er seine Größe anschaut? Welche befriedigernden Gegenstand könnte man seinem Geiste geben? Thäte man nicht seiner Freude Abbruch, wenn man seine Seele damit beschäftigte zu denke, wie er sein Schritte nach dem Takt einer Melodie messen oder geschickt einen Ball schlagen soll, statt ihn in Ruhe die Betrachtung der majestätischen Glorie, die ihn umgiebt, genießen zu lassen? Man mache den Versuch, man lasse einen König ganz allein, ohne eine Befriedigung der Stimme, ohne eine Sorge der Seele, ohne Gesellschaft, mit aller Muße an sich denken und man wird sehen, daß ein König, der sich sieht, ein Elend ist und es fühlt wie ein andrer. Auch vermeidet man dies sorgfältig und nie fehlt neben der Person des Königs eine große Zahl von Leuten, die darüber machen, daß immer das Vergnügen den Geschäften folge und die alle seine Mußezeit beobachten um ihm Vergnügen und Spiele zu verschaffen, damit nur keine Leere eintrete d.h. er ist umgeben von Menschen, die mit einer bewundernswürdigen Sorgfalt verhüten, daß der König allein sei und im Stande an sich selbst zu denken, denn sie wissen, wenn er daran denkt, wird er unglücklich sein, obschon er König ist. Auch liegt die Hauptsache, warum die Menschen die großen, sonst so beschwerlichen Würden ertragen, darin, daß sie ohne Unterlaß abgehalten an sich zu denken. Gebt nur darauf Acht. Oberintendant, Kanzler, erster Präsident zu sein, was ist das anders als eine Menge Leute haben, die von allen Seiten kommen um ihnen nicht eine Stunde im Tage zu lassen, wo sie an sich selbst denken könnten? Und sind sie in Ungnade und man schickt sie nach ihren Landhäusern, wo ihnen weder Vermögen noch Dienerschaft fehlen um alle ihre Bedürfnisse zu befriedigen, so bleibt es doch nicht aus daß, sie unglücklich sind, weil niemand mehr sie hindert an sich zu denken. Daher kommt es, daß so viele Menschen sich vergnügen beim Spiel, auf der Jagd und in andern Zerstreuungen, die ihre ganze Seele beschäftigen. Nicht als ob in der That Glück enthalten wäre in dem, was man durch diese Spiele erlangen kann, oder als ob man sich einbildete, die wahre Seligkeit läge im Gelde, das man im Spiel gewinnen kann, oder in dem Hafen, den man jagt. Man würde das nicht haben wollen, wenn es angeboten würde. Nicht diesen weichlich und ruhigen Besitz, er uns an unsern unglücklichen Zustand denken läßt, sucht man, sondern das Gewirr, was uns abhält daran zu denken. Daher kommt es, daß die Menschen so sehr den Lärm und das Getümmel der Welt lieben, daß das Gefängniß eine so furchtbare Strafe ist und daß es so wenige Menschen giebt, die im Stande wären die Einsamkeit zu ertragen. Das ist alles was die Menschen haben erfinden Können um sich glücklich zu machen. Und diejenigen, die sich bloß damit ergötzen die Eitelkeit und Niedrigkeit der menschlichen Vergnügungen zu zeigen, kennen ganz gut einen Theil ihres Elends, denn das ist ein sehr großes Elend an so niedrigen und verächtlichen Dingen Freude finden zu können, aber sie kennen nicht den Grund davon, der ihnen dieses Elend selbst nöthig macht, so lange sie nicht geheilt sind von jenem innern und natürlichen Elend, welches darin besteht, daß sie nicht den Anblick ihrer selbst zu ertragen vermögen. Jener Hase, wenn sie ihn gekauft hätten, würde sie nicht vor diesem Anblick bewahren, aber die Jagd bewahrt sie davor. Also wenn man ihnen vorwirft, daß, was sie mit so viel Eifer suchen, sie nicht befriedigen werde, daß nichts niedriger und eitler sei und sie antworteten, wie sie, wenn sie recht darüber nachdächten, antworten müßten, so würden sie ganz einstimmen, aber sie würden zugleich sagen, daß sie darin nur eine heftige und stürmische Beschäftigung suchen, die sie vom Anblick ihrer selbst abwende, und daß sie eben darum sich einen anziehenden Gegenstand wählen, der sie reize und ganz einnehme. Indessen sie antworten nicht so, weil sie sich nicht selbst kennen. Ein Edelmann glaubt aufrichtig, daß etwas Großes und Edles an der Jagd sei; er wird sagen: es ist ein königliches Vergnügen. Eben so ist es mit andern Dingen, mit denen die meister Menschen sich beschäftigen. Man bildet sich ein, es sei etwas Wahres und Bleibendes in den Dingen selbst. Man überredet sich: hätte man jenes Amt erlangt, so würde man sich nachher mit Vergnügen in Ruhe setzen und man fühlt nicht die unersättliche Natur seiner Begierde. Man glaubt aufrichtig die Ruhe zu suchen und sucht in der That nur die Unruhe. Die Menschen haben einen geheimen Trieb, der sie dazu bringt das Vergnügen und die Beschäftigung außen zu suchen, der aus dem Gefühl ihres beständigen Elends hervorgeht. Und sie haben einen andern Geheimen Trieb, der von der Größe ihrer ersten Natur übrig ist, der ihnen zu erkennen giebt: das Glück sei in Wahrheit nur in der Ruhe. Und aus diesen beiden widerstreitenden Trieben bildet sich in ihnen ein verworrner Lebensplan, der sich ihrem Blick in der Tiefe ihrer Seele verbirgt, der sie veranlaßt durch unruhige Geschäftigkeit nach der Ruhe zu streben und sich immer ein zu bilden: die Befriedigung, die sie nicht haben, werde kommen, wenn sie einige Schwierigkeiten, die sie vor Augen sehen, übersteigen und sich dadurch die Pforte zur Ruhe eröffnen können. So verfließt das ganze Leben. Man sucht die Ruhe, indem man einige Hindernisse bekämpft und wenn man sie überstiegen hat, wird die Ruhe unerträglich. Denn man denkt entweder an die Uebel, die man hat, oder an die, von welchen man bedroht wird. Und wenn man sich auch von allen Seiten sicher sähe, so würde doch die Langeweile nicht säumen in eigner Kraft aus dem Grund des Herzens, wo sie natürliche Wurzeln hat, hervor zu kommen und den Geist mit ihrem Gift zu erfüllen. Darum als Pyrrhus sich vernahm mit seinen Freunden der Ruhe zu genießen, wenn er zuvor einen großen Theil der Welt erobert haben würde und Cineas ihm sagte, daß er besser thun würde sein Glück zu beschleunigen um gleich auf der Stelle dieser Ruhe zu genießen ohne es erst durch so viele Mühseligkeiten zu suchen, so gab er ihm einen Rath, der an großen Schwierigkeiten litt und der nicht viel vernünftiger war als der Plan jenes ehrgeizigen Jünglings. Der eine wie der andre setzte voraus, daß der Mensch an sich selbst und an seinen gegenwärtigen Gütern sich genügen lassen kann ohne die Leere seines Herzens aus zu füllen mit eingebildeten Hoffnungen und das zu füllen konnte weder vor noch nach Eroberung der Welt glücklich sein und vielleicht war das weichliche Leben, wozu ihm sein Minister rieth, noch weniger geeignet ihn zu befriedigen als die Unruhe so vieler Kämpfe und so vieler Züge, auf die er sann. Man muß also anerkennen: der Mensch ist so unglücklich, daß er sich selbst peinigen würde ohne irgend eine äußre Ursache zum Mißbehagen durch den eigenen Zustand seiner natürlichen Lage, er ist bei dem allen zugleich so eitel und so leichtsinnig, daß bei tausend wesentlichen Ursachen zur Pein, die geringste Kleinigkeit hinreicht ihn zuvergnügen; so daß er, wenn man es ernstlich betrachtet, noch mehr zu beklagen ist, weil er sich an so eiteln und niedrigen Dingen vergnügen kann, als weil er sich über sein wirkliches Elend bekümmert und seine Vergnügungen sind unendlich weniger vernünftig als sein Mißbehagen. 2. Woher kommt es, daß jener Mann, der seit kurzem seinen einzigen Sohn verloren hat und er unter einer Last von Prozessen und Streitigkeiten diesen Morgen so voll Unruhe war, jetzt nicht daran denkt? Verwundert euch nicht darüber, er ist ganz beschäftigt zu sehen, wo ein Hirsch vorbeikommen wird, den seine Hunde hitzig verfolgen seit sechs Stunden. Mehr braucht ein Mensch nicht, wie voll Trauer er auch sei. Kann man es über ihn gewinnen, daß er sich auf ein Vergnügen einläßt, so ist er die Zeit über glücklich; aber das ist ein falsches und eingebildetes Glück, das nicht von dem Besitz irgend eines wahren und bleibenden Guts herrührt, sondern von einer Leichtigkeit des Sinnes, in welcher er das Andenken seines wirklichen Elends vergießt um sich an niedre und lächerliche Dinge zu hängen, die seiner Bemühung und noch mehr seiner Liebe unwürdig sind. Das ist die Freude eines Kranken und Wahnsinnigen, die nicht von der Gesundheit seiner Seele herrührt, sondern von seiner Verwirrtheit; das ist ein Lachen der Tollheit und Täuschung. Denn es ist befremden, wenn man betrachtet was den Menschen gefällt in den Spielen und Vergnügen. Freilich indem sie den Geist beschäftigen, wenden sie ihn ab von dem Gefühl seiner Leiden, und das ist reell; aber sie Beschäftigen ihn nur, weil er sich daraus einen eingebildeten Gegenstand der Leidenschaft bildet, an den er sich hängt. Was meint ihr der Gegenstand jener Leute, die mit so viel Anstrengung des Geistes und Bewegung des Leibes Ball spielen? Sich den andern Tag unter ihren Freunden zu rühmen, daß sie besser gespielt haben als ein andrer. Das ist der Grund ihres Eifers. So schwitzen andre auf ihren Stuben um den Gelehrten zu zeigen, daß sie eine Aufgabe der Algebra gelöst haben, die bis dahin nicht gelöst werden konnte. Und so viele andre setzen sich den größten Gefahren aus um sich nachher zu rühmen, daß sie eine Festung gewonnen haben, meines Bedünkens eben so thöricht. Und noch andre gar arbeiten sich zu Tode um alle diese Dinge auf zu zeichnen, nicht um dadurch weiser zu werden, sondern bloß um zu zeigen, daß sie die Eitelkeit dieser Dinge erkennen und diese sind die größten Thoren der Ganzen Rotte, weil sie es mit Wissen sind, statt daß man den andern denken kann, sie nicht die Thoren sein würden, wenn sie jene Erkenntniß hätten. 3. Derselbe Mensch, den man unglücklich machen würde, wenn man ihm alle Morgen das Geld, das er jeden Tag gewinnen kann, geben wollte unter der Bedingung nicht zu spielen, derselbe bringt sein Leben ohne Mißbehagen hin, indem er alle Tage um eine Kleinigkeit spielt. Man wird vielleicht sagen: er suche das Vergnügen des Spiels und nicht den Gewinn. Aber man lasse ihn um nichts spielen, und er wird nicht warm dabei werden und sich dabei langweilen. Also nicht das Vergnügen allein sucht er, ein mattes Vergnügen ohne Leidenschaft langweilt ihn. Er muß dabei in Feuer gerathen und sich selbst aufregen, indem er sich einbildet: er würde so glücklich sein zu gewinnen, was er sich nicht geben lassen möchte unter der Bedingung nicht zu spielen, er muß sich einen Gegenstand der Leidenschaft bilden, der sein Verlangen reizt, seinen Zorn, seine Furcht, seine Hoffnung. So sind die Ergötzlichkeiten, die das Glück des Menschen ausmachen, nicht nur niedrig, sie sind auch falsch und betrügerisch, d.h. sie haben zum Gegenstand Phantome und Täuschungen, die unmöglich den Geist des Menschen beschäftigen könnten, wenn er nicht das Gefühl und den Geschmack des wahren Glücks verloren hätte und wenn er nicht voll wäre von Niedrigkeit, Eitelkeit, Leichtsinn, Stolz und unzähligen andern Lastern und sie helfen uns unser Elend tragen nur dadurch, daß sie uns ein wahres und wirkliches Elend verursachen. Dies ist es nämlich, was uns hauptsächlich verhindert an uns zu denken und was uns veranlaßt unmerklich die Zeit zu verlieren. Ohne dieses würden wir nur Mißbehagen empfinden und dies Mißbehagen würde uns treiben irgend ein sichreres Mittel zu suchen um demselben zu entgehen. Aber dir Zerstreuung betrügt uns, ergötzt uns und bringt und unmerklich bis zum Tode. 4. Da die Menschen kein Heilmittel entdecken konnten gegen den Tod, das Elend, die Unwissenheit, so sind sie darauf verfallen um sich glücklich zu machen nicht daran zu denken. Das ist alles, was sie erfinden konnten um sich über so viel Uebel zu trösten. Aber das ist ein sehr elender Trost, weil er darauf hingeht, nicht das Uebel zu heilen, sondern es bloß kurze Zeit zu verbergen und indem er es verbirgt, macht er, daß man nicht daran denkt es wirklich zu heilen. So geschieht es durch eine seltsame Verkehrtheit der Natur des Menschen, daß das Mißbehagen, sein empfindlichstes Uebel, in gewisser Art sein größtes Gut ist, weil es mehr als alles andre dazu beitragen kann, ihn seine wahre Heilung suchen zu machen und daß das Vergnügen, welches er als sein größtes Gut ansieht, in der That sein größtes Uebel ist, weil es mehr als alles andre ihn davon abhält das Heilmittel für sein Uebel zu suchen. Das eine wie das andre ist ein vorzüglicher Beweis von dem Elend und dem Verderben des Menschen und zugleich von seiner Größe; denn nur deshalb fühlt der Mensch sich bei allem unbehaglich und sucht diese Menge von Beschäftigungen, weil er die Vorstellung des Glücks hat, das er verloren. Da er es in sich nicht findet, sucht er es umsonst in den äußern Dingen, ohne je sich zufrieden stellen zu können, weil es weder in uns noch in den Geschöpfen ist, sondern in Gott allein. 5. Da die Natur uns immer unglücklich macht in allen Zuständen, so malen unsre Begierden uns einen glücklichen Zustand aus, dadurch, daß sie mit dem Zustande, in dem wir sind, die Freuden des Zustandes verbinden, in dem wir nicht sind und wenn wir zu diesen Freuden gelangen sollten, würden wir darum nicht glücklich sein, weil wir andre Begierden, einem neuen Zustande gemäß, haben würden. 6. Man denke sich eine Anzahl Menschen in den Ketten und alle zum Tode verurtheilt, die einen werden jeden Tag vor den Augen der andern erwürgt und die, welche bleiben, sehen ihre eigne Lage in der Lage ihrer Genossen und sich einer den andern mit Schmerz und ohne Hoffnung betrachtend, erwarten sie, daß die Reihe an sie komme. Das ist das Bild von der Lage der Menschen. |
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