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Blaise Pascal Pensées sur la religion et sur quelques autres sujets Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände
Zweiter Theil: Zwölfter Abschnitt. Verschiedene Beweise für Jesum Christum. 1. Wenn man den Aposteln nicht glauben will, so muß man sagen, sie sind Betrogene oder Betrüger. Das eine wie das andere ist schwierig. Denn was das Erste anbetrifft, so ist es nicht möglich sich so zu täuschen, daß man einen Menschen für auferstanden hält und was das Zweite anbetrifft, so ist die Voraussagung, daß sie Betrüger gewesen, außerordentlich abgeschmackt. Man erfolge sie nur weiter. Man denke sich diese zwölf Männer nach Jesu Tode, versammelt, sich verabredend zu sagen, er wäre auferstanden. Sie fordern damit alle Mächte gegen sich heraus. Das Herz der Menschen ist außerordentlich geneigt zu Leichtsinn und Wechsel, schwach gegen Besprechungen und Geschenke. Ließ nur einer von ihnen durch alle diese Lockungen und was mehr ist, durch Gefängniß, Folter und Tod sich verleiten eine Blöße zu geben, so waren sie verloren. Man verfolge das. So lange Jesus bei ihnen war, konnte er sie aufrechthalten; aber nachher, wenn er ihnen nicht er schienen ist, wer hat sie ausgerüstet mit Kraft und Muth zum Handeln? 2. Die Sprache des Evangelii ist bewundernswürdig in vielfach verschiedener Art und unter andern auch darin, daß von Seiten der Geschichtsschreiber keine Ausfälle gegen Judas oder Pilatus noch gegen irgend einen der Feinde oder vielmehr Henker Jesu verkommen. Wäre diese Bescheidenheit der evangelischen Geschichtsschreiber eben so wie noch viele andere Züge eines so schönen Sinnes bloß angenommen gewesen und zwar nur um die bemerklich zu machen und hätten sie nicht selbst gewagt darauf aufmerksam zu machen, so würden sie nicht unterlassen haben sich Freunde zu verschaffen, die diese Bemerkungen zu ihrem Vortheil gemacht haben würden. Aber weil sie so thaten ohne Affectation und ganz ohne eignes Interesse, so machten sie niemand darauf aufmerksam, ich weiß selbst nicht, ob es bis jetzt bemerkt worden ist. Das zeugt von der Einfalt, womit die Sache betrieben wurde. 3. Jesus Christus hat Wunder gethan, darnach die Apostel und auch die ersten Heiligen haben viele verrichtet, weil die Weissagungen, bis dahin noch nicht erfüllt, sich durch sie erfüllen und also nichts Zeugniß geben konnte als die Wunder. Es war geweissagt, daß der Messias die Völker bekehren würde. Wie wäre diese Weissagung erfüllt worden ohne die Bekehrung der Völker? und wie hätten die Völker sich bekehrt zum Messias, wenn sie nicht diese letzte Erfüllung der Weissagungen, die von ihm zeugen, gesehen hätte? Also ehe er starb und auferstand und ehe die Völker sich bekehrt hatten, war alles noch nicht erfüllt und daher bedurfte es der Wunder während dieser ganzen Zeit. Jetzt bedarf es deren nicht mehr um die Wahrheit der christlichen Religion zu bezeugen, denn die erfüllten Weissagungen sind ein bleibendes Wunder. 4. Auch der Zustand, in welchem man die Juden sieht, ist ein großer Beweis für die Religion. Denn es ist etwas Erstaunliches dies Volk zu sehn, wie es so vielen Jahren besteht und immer elend, da es zum Beweise für Jesum Christum nöthig ist, daß sie bestehn um von ihm zu zeugen und daß sie elend sind, weil sie ihn gekreuzigt haben und obgleich es ein Widerspruch ist elend sein und bestehn, so besteht dies Volk doch immer trotz seines Elends. Aber sind sie nicht beinahe in demselben Zustande gewesen zu Zeit der Gefangenschaft? Nein. Das Scepter war nicht gebrochen durch die Babylonische Gefangenschaft, denn die Rückkehr war verheißen und vorausgesagt. Alls Nebukadnezar das Volk verführte, ward ihnen, damit man nicht glauben sollte, das Scepter wäre nun von Juda entwendet, zum Voraus gesagt, sie würden dort nur kurze Zeit sein und wieder eingesetzt werden. Sie wurden immer durch die Propheten getröstet und ihre Könige dauerten noch fort. Dagegen die zweite Verwüstung ist ohne Verheißung der Rückkehr, ohne Propheten, ohne Könige, ohne Trost, ohne Hoffnung, weil das Scepter für immer entwendet ist. Das heißt nicht gefangen sein, wenn sie es mit der Versicherung waren nach siebenzig Jahren befreit zu werden. Aber jetzt sind sie es ohne eine Hoffnung. Gott hat ihnen verheißen, ob er sie auch bis an die äußersten Enden der Welt zerstreue, werde er sie doch wieder sammeln, wenn sie seinem Gesetz treu sein würden. Sie sind sehr treu und bleiben unterdrückt. Der Messias muß also schon gekommen sein und das Gesetz, welches jene Verheißungen enthielt, muß aufgehoben sein durch die Aufstellung eines neuen Gesetzes. 5. Wären die Juden alle von Jesu Christo bekehrt worden, so hätten wir nicht andre verdächtigen Zeugen, und wären sie ausgerottet worden, so hätten wir gar keine. Die Juden verwerfen ihn, nicht alle: Die Heiligen nehmen ihn auf und die Fleischlichen nicht. Und das ist so wenig gegen seine Ehre, daß es vielmehr der letzte Zug ist, der sie vollendet. Den Grund, den sie dazu haben ihn zu verwerfen, und zwar der einzige, der sich in ihren Schriften, im Talmud und in den Rabbinen findet, ist nur, daß Jesus sich nicht mit bewaffneter Hand die Nationen unterworfen hat. Jesus ist getödtet worden, sagen sie, er ist unterlegen, er hat nicht die Heiden mit seiner Macht unterworfen, hat uns nicht ihre Beute gegeben, giebt keine Schätze. Haben sie nichts zu sagen als das? Das ist es eben, worin er mir liebenswerth ist; ich möchte den nicht, den sie sich ausdenken. 6. Wie schön ist es mit Augen des Glaubens zu sehen, daß Darius, Cyrus, Alexander, Pompejus und Herodes ohne es zu wissen für den Ruhm des Evangeliums arbeiten! 7. Die muhamedanische Religion hat den Alkoran und Muhamed zum Fundament. Aber dieser Prophet, der die letzte Erwartung der Welt sein sollte, ist er voraus geweissagt worden? Und welches Zeichen hat er, das nicht auch jeder Mensch hätte, der sich Prophet nennen wollte? Welche Wunder behauptet er selbst gethan zu haben? Welches Geheimniß hat er gelehrt nach seiner eignen Ueberlieferung? welche Moral und welche Seligkeit? Muhamed ist ohne Beglaubigung; also mußten seine Gründe sehr stark sein, da sie nichts als ihre eigne Kraft haben. 8. Gesetzt, zwei Menschen sprechen Dinge, die niedrig scheinen, aber die Reden des einen haben einen doppelten Sinn, den seine Anhänger verstehn, und die Reden des andern haben nur einen einzigen Sinn; wenn nun jemand, der nicht im Geheimniß ist, beide in dieser Art reden hört, so wird er über beide ein gleiches Urtheil fällen. Aber wenn hernach im Verlauf der Rede der eine himmlische Dinge sagt und der andre immer nur niedrige und gemeine Dinge, ja selbst Albernheiten, so wird er urtheilen: der eine spräche in Geheimnissen und der andre nicht, denn der eine habe zur Genüge gezeigt, daß er solche Albernheiten unfähig, aber wohl im Stande sei Geheimnisse zu haben, dagegen der andre gezeigt, daß er eines Geheimnisses unfähig und der Albernheit fähig sei. Nicht nach dem, was bei Muhamed dunkel ist und was allenfalls einen geheimen Sinn haben könnte, meine ich, muß man ihn beurtheilen, sondern nach dem, was klar ist, nach seinem Paradies und allem Uebrigen. Darin eben ist er lächerlich. Nicht so ist es mit der Schrift. Ich gebe zu, sie hat Dunkelheiten, aber es giebt auch bewundernswürdige Klarheiten und Weissagungen, deren Erfüllung offen vorliegt. Der Fall ist also nicht gleich. Man muß nicht Dinge vermengen und gleich stellen, die sich nur durch die Dunkelheit ähneln, aber nicht durch die Klarheiten, die, wenn die göttlich sind, verdienen, daß man die Dunkelheit verehre. Der Alkoran sagt: der heilige Matthäus wäre ein guter Mann gewesen. Also war Muhamed ein falscher Prophet, weil er entweder gute Leute böse nannte oder weil er ihnen nicht glaubte in dem, was sie von Jesu Christo gesagt haben. 10. Jeder Mensch kann thun was Muhamed gethan hat, denn er hat keine Wunder gethan, er ist nicht voraus verkündigt u.s.w. Kein Mensch kann thun, was Jesus Christus gethan hat. Muhamed hat seine Religion gestiftet, indem er tödtete, Jesus, indem er die Seinen tödten ließ, Muhamed, indem er verbot zu lesen, Christus, indem er gebot zu lesen; genug, das ist so entgegengesetzt, daß, wenn Muhamed den Weg erwählte menschlicher Weise zu siegen, Jesus den Weg erwählte menschlicher Weise unter zu gehn, und statt zu schließen, weil Muhamed gesiegt, konnte wohl Jesus auch siegen, muß man vielmehr sagen, weil Muhamed siegte, hätte das Christenthum müssen untergehn, wenn es nicht von einer rein göttlichen Kraft erhalten worden wäre. |
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