abcphilde archiv                                                                                                                             manfred herok   2014 

Leibniz, Gottfried Wilhelm
Die Theodicee, Abhandlung über die Güte Gottes
Essais de théodicée sur la bonté de dieu, la liberté de l'homme et l'origine du mal

Erstdruck: Amsterdam 1710

Zweiter Theil

107. Bis hier habe ich mich auf eine ausführliche und deutliche Darstellung der ganzen hier in Frage stellenden Materie beschränkt, und wenn ich auch noch nicht von den Einwürfen des Herrn Bayle im besondern gesprochen habe, so habe ich doch gesucht, denselben zuvorzukommen und die Mittel für die Erledigung derselben zu bieten. Allein da ich unternommen habe, ihnen im einzelnen entgegenzutreten, weil vielleicht einzelne Punkte noch eine grössere Erläuterung bedürfen und überdem seine Einwürfe voll Geist und Gelehrsamkeit sind und diese Streitfragen in ein viel helleres Licht setzen können, so wird es gut sein, wenn ich die Haupteinwürfe zusammenstelle, welche sich in seinen Werken zerstreut vorfinden und daran meine Widerlegungen anknüpfe. Ich habe gleich im Beginn gesagt, »dass Gott bei dem moralischen und physischen Uebel mitwirkt und zwar bei dem einen und dem andern in moralischer und physischer Weise und dass auch der Mensch hierbei physisch und moralisch in einer freien und thätigen Weise mitwirkt, welche ihn tadelns- und strafwürdig macht.« Ich habe auch gezeigt, dass jeder dieser Punkte seine Schwierigkeiten hat; die grösste liegt aber darin, dass Gott an dem moralischen Uebel in moralischer Weise mitwirkt, d.h. an der Sünde, ohne doch deren Urheber oder ein Mitschuldiger dabei zu sein.

108. Er thut es, indem er es gerechter Weise zulässt und indem er uns in seiner Weisheit zum Guten leitet, wie ich es in einer genügend verständlichen Weise dargelegt haben dürfte. Aber da gerade hier Herr Bayle es unternimmt, diejenigen zu Boden zu schlagen, welche behaupten, dass der Glaube nichts enthalte, was sich mit der Vernunft nicht vertrüge, so habe ich auch gerade hier zu zeigen, dass meine Sätze von einem Wall geschützt sind, und selbst von Gründen, welche dem stärksten Feuer seiner Batterien widerstehen können, um bei seinem Gleichniss stehen zu bleiben. Seine Angriffe gegen mich finden sich in Kap. 144 seiner Antwort auf die Fragen etc. (Theil III. S. 812), wo er die theologische Lehre in sieben Sätze zusammenfasst und ihr neunzehn philosophische Sätze entgegenstellt, gleich so vielen schweren Kanonen, um einen Riss in meinen Wall zu schiessen. Ich beginne mit den theologischen Sätzen.

109. I. »Gott,« sagt er, »das ewige, nothwendige, unendlich gute, heilige, weise und mächtige Wesen besitzt von aller Ewigkeit einen Ruhm und eine Seligkeit, welche niemals sich vermehren noch vermindern kann.« Dieser Satz des Herrn Bayle ist ebenso philosophisch, wie theologisch. Wenn man sagt, Gott besitze einen Ruhm, wenn er allein ist, so hängt dies von der Bedeutung dieses Wortes ab. Man kann mit Einigen sagen, dass der Ruhm in der Genugthung bestehe, welche sich aus der Kenntniss der eigenen Vollkommenheiten ergebe und in diesem Sinne besitzt Gott diesen Ruhm immer; besteht aber der Ruhm darin, dass die Andern davon Kenntniss erhalten, so kann man sagen, dass Gott diesen Ruhm nur erwirbt, wenn er sich vernünftigen Geschöpfen zu erkennen giebt, obgleich es richtig ist, dass Gott dadurch kein neues Gut erlangt, sondern dass vielmehr die vernünftigen Geschöpfe darin ein Gut[174] empfangen, wenn sie den Ruhm Gottes, so wie es sich gehört, erfassen.

110. II. »Er entschloss sich frei zur Erschaffung von Geschöpfen und er wählte unter einer unendlichen Zahl möglicher Wesen, die, welche ihm gefielen, um ihnen das Dasein zu geben und das Universum zu bilden, während er alle andern in ihrem Nichts beliess.« Auch dieser Satz stimmt ganz, wie der vorige, mit dem Theile der Philosophie, welchen man natürliche Theologie nennt. Man muss hier ein wenig die Worte hervorheben, dass Gott diejenigen möglichen Wesen auswählt, welche ihm gefielen. Denn wenn ich sage, dies gefällt mir, so ist das so viel, als wenn ich sage, ich finde dies gut. Daher ist es die ideale Güte des Gegenstandes, welche gefällt und welche ihn unter vielen andern wählen lässt, die nicht, oder doch weniger gefallen, d.h. die weniger von der Güte enthalten, welche mich bestimmt. Nun können Gott nur die wahren Güter gefallen und deshalb ist das, was Gott am meisten gefällt, auch das Beste.

111. III. »Da die menschliche Natur zu den Wesen gehörte, welche Gott erschaffen wollte, so schuf er einen Mann und eine Frau und gewährte ihnen neben anderer Gunst den freien Willen, so dass sie ihm gehorchen konnten; aber er bedrohte sie mit dem Tode, im Fall sie seinem ihnen gegebenen Befehle nicht gehorchten, nach welchem sie sich einer gewissen Frucht enthalten sollten.« Dieser Satz ist zum Theil offenbart und kann ohne Bedenken angenommen werden, im Fall der freie Wille richtig so aufgefasst wird, wie ich ihn erläutert habe.

112. IV. »Dennoch assen sie davon und wurden von da ab sie selbst und ihre ganze Nachkommenschaft zu dem Elend dieses Lebens, zum zeitlichen Tode und ewiger Verdammniss verurtheilt, auch einer solchen Neigung zur Sünde unterworfen, dass sie sich derselben beinah ohne Aufhören und Ende überlassen.« Man hat Grund zur Annahme, dass die verbotene Handlung durch sich selbst diese schlimmen Folgen in Gemässheit einer natürlichen Wirkung herbeiführte und dass deshalb und nicht blos rein willkürlich Gott es ihnen verboten hatte; ähnlich wie man den kleinen Kindern die Messer verbietet.[175] Der berühmte Fludd oder de Fluctibus, ein Engländer, schrieb einmal ein Buch, de Vita, Morte et Resurrectione (über Leben, Tod und Auferstehung) unter dem Namen R. Otreb, worin er behauptete, dass die Frucht des verbotenen Baumes ein Gift gewesen sei; doch kann ich in diese Einzelheiten nicht eingehen. Es genügt, dass Gott eine schädliche Sache verboten hat; man darf deshalb nicht annehmen, dass Gott hier einfach den Gesetzgeber gespielt habe, welcher ein rein positives Gesetz erlässt, oder einen Richter, welcher rein willkürlich eine Strafe auferlegt und vollzieht, ohne alle Verbindung zwischen dem Uebel der Schuld und dem Uebel der Strafe. Auch braucht man sich nicht vorzustellen, dass Gott deshalb in seinem gerechten Zorn ganz ausdrücklich durch eine ausserordentliche That und um zu strafen eine Verderbniss in die menschliche Seele und den menschlichen Körper gelegt habe, ohngefähr so, wie die Athener den Verurtheilten den Schierlingssaft trinken liessen. Herr Bayle fasst es aber so auf; er spricht, als wenn die ursprüngliche Verderbniss in die Seele des ersten Menschen durch einen Befehl und eine Thätigkeit Gottes gelegt worden. Deshalb macht er den Einwurf (Antwort auf die Fragen etc. Kap. 178, S. 1218, Thl. III.): »dass die Vernunft einen Monarchen nicht lieben werde, welcher Jemand sammt seinen Nachkommen als Züchtigung dahin verurtheilt, dass er immer zum Aufstand geneigt sein solle;« vielmehr trifft diese Züchtigung auf natürliche Weise die Schlechten, ohne Befehl eines Gesetzgebers und sie finden Geschmack am Bösen. Wenn die Trunkenbolde als eine natürliche in dem Körper vorgehende Folge Kinder erzeugten, die demselben Laster zuneigten, so würde dies eine Strafe ihrer Voreltern, aber keine gesetzlich verordnete Strafe sein. Etwas ähnlich verhält es sich mit den Folgen der Sünde des ersten Menschen, da die Betrachtung der göttlichen Weisheit uns glauben lässt, dass das Reich der Natur dem der Gnade dient und dass Gott als Baumeister alles so gemacht hat, wie es Gott, als Monarchen betrachtet, angemessen schien. Wir kennen weder die Natur der verbotenen Frucht, noch die Natur der That und ihrer Wirkungen genug, um über das Einzelne des Vorganges urtheilen zu können; danach ist man es Gott schuldig, anzunehmen, dass sie etwas anderes, als was die Maler uns darstellen, enthalten hat.

113. V. »Es hat Gott in seiner grenzenlosen Barmherzigkeit gefallen, eine kleine Anzahl Menschen von dieser Verdammniss zu befreien. Indem er sie während dieses Lebens der Verderbniss der Sünde und dem Elend ausgesetzt liess, hat er ihnen doch eine Hülfe gewährt, durch welche sie die Seligkeit des Paradieses erlangen, welche nie enden wird.« Früher haben Mehrere bezweifelt, ob die Zahl der Verdammten so gross sei, als man gewöhnlich annimmt, wie ich schon früher bemerkt habe; sie haben anscheinend noch eine Art Mittelzustand zwischen der ewigen Verdammniss und vollkommenen Seligkeit angenommen. Indess bedarf es dessen nicht, es genügt, dass wir uns an die Ansicht der Kirche halten, wo dieser Satz des Herrn Bayle nach den Grundsätzen der hinreichenden Gnade verstanden wird, welche allen Menschen gewährt ist, sofern sie nur den guten Willen haben. Obgleich Herr Bayle selbst der entgegengesetzten Ansicht ist, hat er doch (wie er am Rande bemerkt) die Ausdrücke vermeiden wollen, welche nicht zu dem System passen, nach welchem die Beschlüsse Gottes seiner Voraussicht der zufälligen Ereignisse nachfolgen.

114. VI. »Gott hat von Ewigkeit alles was sich ereignen wird, vorausgesehen; er hat alle Dinge geregelt; jedes an seinen Platz gestellt; er leitet und regiert ohne Unterbrechung nach seinem Gefallen, so dass nichts ohne seine Erlaubniss, oder gegen seinen Willen geschieht und dass er alles, wie es ihm gefällt und so weit und so oft es ihm gefällt, verhindern kann, was ihm nicht gut erscheint, also auch die Sünde, die ihn von allem am meisten verletzt und die er am meisten verabscheut; auch kann er in jeder Seele alle Gedanken, die ihm gefallen, erzeugen.«

Dieser Satz ist noch rein philosophisch, d.h. durch das Licht der natürlichen Vernunft erkennbar. Auch ist es wohl absichtlich, dass während der Satz II. sich auf das »was Gott gefällt« stützt, der Satz hier auf das »was ihm gut scheint«, d.h. auf das gestützt wird, was Gott zu thun für gut findet. Er kann vermeiden oder beseitigen wie ihm gut scheint, alles was ihm nicht gefällt; allein man muss bedenken, dass manche Gegenstände, von denen er sich abwendet, wie gewisse Uebel und vor allem die Sünde, welche sein vorgehender Wille abgewiesen hat, durch seinen nachfolgenden oder entscheidenden Willen nur so weit haben verworfen werden können, als es die Regel des Besten gestattet, welches der Weiseste, nachdem er alles in Rechnung genommen, zu wählen hatte. Wenn man sagt, dass die Sünde Gott am meisten beleidige und dass er sie am meisten verabscheue, so ist dies eine menschliche Art zu sprechen. Denn eigentlich kann Gott nicht beleidigt werden, d.h. verletzt, belästigt, beunruhigt oder erzürnt werden; dagegen verabscheut er das Bestehende nicht, vorausgesetzt, dass, etwas verabscheuen, bedeutet: eine Sache mit Widerwillen betrachten, oder in einer Weise, die uns anekelt, uns schmerzt, uns beängstigt; denn Gott kann weder Kummer, noch Schmerzen, noch Unbequemlichkeiten erleiden; vielmehr ist er stets vollkommen zufrieden und wohl auf. Indessen sind jene Ausdrücke in ihrem wahren Sinne wohl begründet. Die höchste Güte Gottes lässt seinen vorgehenden Willen jedes Uebel abweisen und das moralische am meisten; sie lässt es nur aus höheren, unüberwindlichen Gründen und mit solchen Verbesserungen zu, welche dessen üble Folgen mit Vortheil gut machen. Es ist auch richtig, dass Gott in jeder menschlichen Seele alle von ihm gebilligte Gedanken hervorrufen kann; allein dies wäre eine Handlungsweise durch Wunder in einem höheren Maasse, als sein Plan, welcher der möglichst beste erwählte ist, gestattet.

115. VII. »Gott bietet seine Gnade Leuten an, vom denen er weiss, dass sie dieselbe nicht annehmen wollen und sollen und die sich dadurch strafbarer machen sollen, als sie ohne dieses Erbieten gewesen wären. Er erklärt ihnen, dass er deren Annahme lebhaft wünscht und er giebt ihnen nicht die Gnade, obgleich er weiss, dass sie sie annehmen würden.« Es ist richtig, dass diese Leute durch ihre Abweisung strafbarer werden, als wenn ihnen nichts angeboten worden wäre und dass Gott dies weiss; allein es ist besser, dass Gott das Verbrechen gestatte, als dass er in einer Weise handele, welche ihn selbst tadelnswerth machen und dahin führen würde, dass diese Schlechten einigen Grund sich zu beklagen hätten, weil sie sagen könnten, dass sie es nicht besser hätten machen können, wenn sie auch wollten oder gewollt hätten. Gott will, dass sie seine Gnade, deren sie fähig sind, empfangen und dass sie sie annehmen und er will insbesondere ihnen die Gnaden geben, von denen er voraussieht, dass sie sie annehmen würden, allein immer mit einem nur vorgängigen, abgesonderten oder besondern Willen, dessen Ausführung in dem allgemeinen Plan der Dinge nicht immer ausgeführt werden kann. Auch dieser Satz wird nicht minder von der Philosophie, wie von der Offenbarung aufgestellt, ebenso wie drei andere von den bisher aufgestellten sieben, da nur der dritte, vierte und fünfte Satz der Offenbarung bedürfen.

116. Ich lasse jetzt die 17 philosophischen Sätze folgen, welche Herr Bayle den vorstehenden 7 theologischen entgegenstellt.

I. »Da das unendlich vollkommene Wesen in sich selbst einen Ruhm und eine Seligkeit besitzt, die niemals vermindert oder vermehrt werden kann, so hat allein seine Güte es bestimmt, dies Universum zu schaffen. Weder der Ehrgeiz, noch Lob, noch das eigennützige Motiv, seine Seligkeit und seinen Ruhm zu vermehren haben dabei mitgewirkt.«

Dieser Satz ist ganz gut; das Lob Gottes hilft ihm nichts, aber wohl den Menschen, welche ihn loben und er hat ihr Gutes gewollt. Indess ist es, wenn man sagt, dass Gottes Güte allein ihn zur Erschaffung dieses Universums bestimmt habe, gut, hinzuzufügen, dass seine Güte ihn vorhergehend bestimmt habe, alles mögliche Gute hervorzubringen; aber dass seine Weisheit dabei die Auswahl getroffen und die Ursache davon gewesen, dass er nachfolgend die beste erwählt habe und dass seine Macht ihm das Mittel gewährt, den grossen gefassten Plan wirklich auszuführen.

117. II. »Die Güte des unendlich vollkommenen Wesens ist unendlich und sie würde nicht unendlich gross sein, wenn man eine grössere als die seine sich vorstellen könnte. Diese Bestimmung der Unendlichkeit haftet auch allen seinen andern Vollkommenheiten an, seiner Liebe zur Tugend, seinem Hasse des Lasters u.s.w., sie müssen die grössten sein, die man sich vorstellen kann«. [Man sehe Herrn Jurien in den drei ersten Abschnitten seines »Urtheils über die Methoden«, wo »er sich stets auf diesen Satz, als einen obersten Grundsatz stützt. Man sehe auch bei Herrn Wittichius in seiner Providentia Dei, Nr. 12 die Worte des heiligen Augustin, Buch I Ueber die christliche Lehre Kap. 7.«: Cum cogitatur Deus, ita cogitetur ut aliquid, quo nihil melius sit atque sublimius. (Wenn Gott vorgestellt wird, geschehe es als ein Wesen, über welches es kein besseres und höheres giebt.) Und bald darauf: Nec quisquam inveniri potest, qui hoc Deum credat esse, quo melius aliquid est. (Niemand kann sich Gott so vorstellen, dass er meint, es gebe noch etwas Besseres, als Gott.)]

Dieser Satz ist ganz der meine, und ich folgere dar aus, dass Gott das möglichst Beste thut; sonst wäre die Ausübung seiner Güte beschränkt und damit seine Güte selbst, wenn sie ihn nicht dahin triebe und wenn ihm der gute Wille fehlte; oder es hiesse seine Weisheit und seine Macht beschränken, wenn ihm die Kenntnisse fehlten, um das Beste zu erkennen und die Mittel dazu aufzufinden, oder wenn ihm die nöthigen Kräfte zur Anwendung dieser Mittel abgingen. Dennoch ist der Satz von der Unendlichkeit von Gottes Liebe zur Tugend und von seinem Hasse des Lasters zweideutig. Wäre dies unbedingt und ohne Beschränkung in der Ausübung richtig, so würde es kein Laster in der Welt geben. Vielmehr ist zwar jede Vollkommenheit Gottes an sich unendlich, aber sie wird nur nach Verhältniss des Gegenstandes und so ausgeübt, wie die Natur der Dinge es mit sich bringt. Deshalb überwiegt bei ihm die Liebe zu dem Bessern im Ganzen alle andern Neigungen und einzelnen Verabscheuungen; nur diese Liebe allein ist unendlich, da Gott durch Nichts gehindert werden kann, sich für das Beste zu entscheiden; und wenn also ein Laster mit dem möglichst besten Plane verknüpft ist, so gestattet Gott dasselbe.

118. III. »Da eine unendliche Güte den Schöpfer bei Erschaffung der Welt geleitet hat, so sind alle Kennzeichen des Wissens, der Geschicklichkeit, der Macht und Grösse, welche in seinem Werke hervor treten zum Glück der vernünftigen Geschöpfe bestimmt. Er hat gewollt, dass die Menschen seine Vollkommenheiten nur deshalb kennen lernen, damit diese Art von Geschöpfen ihr Glück in der Erkenntniss, Bewunderung und Liebe des höchsten Wesens fänden.«

Dieser Satz scheint mir nicht bestimmt genug. Ich gebe zu, dass das Glück der vernünftigen Geschöpfe den Haupttheil in den Absichten Gottes bildet, da sie ihm am meisten ähneln, aber ich sehe nicht ein, wie man zeigen will, dass dies sein einziges Ziel gewesen sei. Das Reich der Natur muss allerdings dem Reiche der Gnade dienen; allein in dem grossen Plane Gottes ist alles mit einander verknüpft und deshalb wird auch das Reich der Gnade in gewisser Weise dem Reiche der Natur angepasst sein, so dass dieses die möglichste Ordnung und Schönheit sich erhält, um die Verbindung beider zu der möglichst vollkommensten zu machen.
Man kann deshalb nicht annehmen, dass Gott um einiger moralischen Uebel willen die ganze Ordnung der Natur umstosse. Jede Vollkommenheit und jede Unvollkommenheit in den Geschöpfen hat ihren Preis, aber nichts hat einen unendlichen Preis. Deshalb übersteigt das moralische und physische Gute und Uebel der vernünftigen Geschöpfe nicht in unendlicher Weise das blos metaphysische Gute und Uebel, d.h. das, was zur Vollkommenheit der übrigen Geschöpfe gehört, obgleich dies doch der Fall sein müsste, wenn der obige Satz in voller Strenge wahr wäre. Als Gott dem Propheten Jonas erklärte, weshalb er den Bewohnern von Ninive verziehen habe, so berührte er selbst die Rücksicht auf die Thiere, welche bei der Zerstörung dieser grossen Stadt mit untergegangen sein würden. Nichts ist vor Gott unbedingt verächtlich oder schätzenswerth. Der Missbrauch oder die übertriebene Ausdehnung des hier vorliegenden Satzes scheint zum Theil die Schwierigkeiten veranlasst zu haben, die Herr Bayle hier aufstellt. Es ist gewiss, dass ein Mensch bei Gott mehr bedeutet, als ein Löwe, dennoch dürfte es zweifelhaft sein, ob Gott einen Menschen dem ganzen Löwengeschlecht in jeder Beziehung voranstellen würde; aber selbst wenn dies der Fall wäre, so folgte noch nicht, dass der Vortheil einer bestimmten Anzahl von Menschen die allgemeine Unordnung unter einer unzähligen Anzahl von Geschöpfen überwiegen müsse. Solche Meinung wäre noch ein Ueberbleibsel des alten, so verrufenen Satzes, wonach alles nur für den Menschen geschehen ist.

119. IV. »Die Wohlthaten, welche Gott den, der Glückseligkeit fähigen Geschöpfen erzeigt, sollen nur deren Glück befördern. Gott gestattet deshalb nicht, dass sie zu deren Unglück benutzt werden, und wenn der schlechte Gebrauch, welchen sie davon machen, sie in's Verderben führen könnte, so würde er ihnen sichere Mittel für einen blos guten Gebrauch derselben gewährt haben, da ohnedem es keine wirklichen Wohlthaten sein würden und Gottes Güte dann geringer sein würde, als man sie bei einem andern Wohlthäter sich vorstellen könnte. (Ich meine, bei einer Ursache, die mit ihren Geschenken zugleich die sichere Geschicklichkeit, sich ihrer gut zu bedienen, gewähren würde.)«

Hier sehen wir schon den Missbrauch, oder die schlimme Wirkung des vorherigen Satzes. Es ist im strengen Sinne nicht richtig (obgleich es so scheint) dass die von Gott den des Glückes fähigen Geschöpfen mitgetheilten Wohlthaten, nur ihr Glück bezwecken. Alles ist in der Natur verknüpft, und wenn ein geschickter Künstler, oder Baumeister, oder Maschinenmeister oder Staatsmann dieselbe Sache zu verschiedenen Zwecken benutzen, wenn sie aus einem Stein zwei Trinkschalen machen, sobald dies sich bequem ausführen lässt, so kann man von Gott sagen, dass er, dessen Weisheit und Macht vollkommen sind, es immer so macht. Es gehört dahin die Ersparniss an Raum, an Zeit, an der Lage, an dem Stoffe, welche gewissermassen seine Unkosten sind. Deshalb hat Gott bei seiner Vornahme mehr als einen Gesichtspunkt. Das Glück aller seiner vernünftigen Geschöpfe ist einer seiner Gesichtspunkte, aber es hat nicht sein ganzes Ziel und selbst nicht sein letztes Ziel. Deshalb kann das Unglück einiger dieser Geschöpfe als eine Nebenfolge eintreten und als eine Wirkung von andern grössern Gütern, wie ich schon früher gesagt habe und wie Herr Bayle auch in gewisser Beziehung anerkannt hat. Die Güter als solche, an sich selbst genommen, sind der Gegenstand des vorgehenden Willens Gottes. Gott wird so viel Vernunft und Kenntniss in dem Universum hervorbringen, als sein Plan gestattet. Man kann sich ein Mittleres zwischen einem vorgehenden, reinen und ursprünglichen Willen und einem nachfolgenden und abschliessenden Willen vorstellen. Der vorgehende, ursprüngliche Wille hat jedes Gut und jedes Uebel für sich zum Gegenstande, als gelöst aus aller Verbindung mit andern; dieser Wille will das Gute erreichen und das Uebel hindern; der mittlere Wille geht auf Verbindungen, wie wenn man ein Gut an ein Uebel heftet. Dieser Wille wird sich einer solchen Verbindung zuneigen, wenn das Gute das Uebel übersteigt; dagegen ergiebt sich der schliessliche und entscheidende Wille aus der Erwägung aller Güter und aller Uebel, die dabei zu berücksichtigen sind; er ergiebt sich also aus einer alles umfassenden Verbindung. Deshalb muss der mittlere Wille zwar in Beziehung auf einen vorgehenden, reinen und anfänglichen Willen gewissermassen als ein nachfolgender angesehen werden, aber in Bezug auf den schliesslichen und entscheidenden Willen nur als ein vorgehender. Gott giebt dem menschlichen Geschlecht die Vernunft, es entstehen daraus mitfolgende Uebel. Sein vorgehender reiner Wille will die Vernunft als ein grosses Gut und zur Verhinderung der betreffenden Uebel gewähren; aber wenn es sich um die Uebel handelt, welche dieses Geschenk, was Gott uns mit der Vernunft gemacht hat, begleiten, so wird ein solches Zusammengesetzte, was aus der Verbindung der Vernunft mit diesen Uebeln hervorgeht, der Gegenstand des mittleren Willens Gottes werden und derselbe wird, je nachdem dabei das Gute oder das Uebel überwiegt, dahin streben, dieses Zusammengesetzte hervorzubringen oder zu hindern. Ja selbst wenn die Vernunft den Menschen mehr Uebles als Gutes bereitete (was ich jedoch nicht einräume) in welchem Falle der mittlere Wille Gottes sie in dieser Verbindung zurückweisen würde, könnte es doch sein, dass die Vernunft bei den Menschen trotz deren üblen Folgen für sie doch der Vollkommenheit des Universums mehr entspräche und deshalb würde der schliessliche Wille oder der Entschluss Gottes, welcher aus sämmtlichen Erwägungen hervorgeht, doch dahin gehen, dem Menschen die Vernunft zu verleihen. Weit entfernt, deshalb tadelnswerth zu sein, würde Gott es vielmehr sein, wenn er nicht so handelte. So tritt das Uebel oder die Mischung vom Gutem und Uebeln, wo letzteres überwiegt, nur als Mitfolge ein, weil es mit grösseren Gütern ausserhalb dieser Mischung verknüpft ist. Deshalb darf diese Mischung oder diese Zusammensetzung nicht als eine Gnade oder als ein von Gott uns gewährtes Geschenk aufgefasst werden; aber das damit vermischte Gute wird allerdings nicht aufhören, ein solches Geschenk zu sein. Solcher Art ist also das Geschenk der Vernunft für die, welche davon einen schlechten Gebrauch machen. Sie bleibt immer an sich ein Gut; aber die Verbindung dieses Gutes mit den aus dessen Missbrauch hervorgehenden Uebeln ist in Bezug auf die dadurch unglücklich Gewordenen kein Gut; es tritt da nur ein als Mitfolge, weil es für das Universum ein grösseres Gut bewirkt, und dies hat sicherlich Gott bestimmt, die Vernunft auch denen zu gewähren, welche daraus ein Werkzeug für ihr Unglück machen; oder um genauer nach meinem System zu sprechen: Gott fand unter den möglichen Wesen auch einige vernünftige Geschöpfe, welche ihre Vernunft missbrauchen und hat so diesen Uebeln ein Dasein gewährt, welche in dem möglichst besten Universum enthalten sind. So erklärt es sich, dass Gott Güter gewährt, welche durch den Fehler der Menschen sich in Uebel verwandeln. Oft geschieht dies als gerechte Strafe für den Missbrauch, den sie von seiner Gnade gemacht haben. Aloysius Novarinus hat ein Buch über die verborgenen Wohlthaten Gottes geschrieben; man könnte auch eins über die verborgenen Strafen Gottes schreiben; hier passt das Wort von Claudian bei einigen:

Tolluntur in altum,

Ut lapsu graviere ruant.

(Sie werden hoch erhoben, damit sie

mit einem um so schwereren Fall herabstürzen.)

Sollte Gott ein Gut nicht geben, von dem er weiss, dass ein böser Wille es missbrauchen wird, während der allgemeine Plan der Dinge dessen Gewährung fordert? oder sollte er Mittel gewähren, die es sicher verhindern, im Widerspruch mit dieser allgemeinen Ordnung, so wäre dies (wie ich schon gesagt) so viel, als dass Gott selbst sich tadelnswerth machen sollte, damit der Mensch es nicht werde. Der Einwurf, den man hier macht, dass solche Güte Gottes geringer sei, als die eines andern Wohlthäters, der ein nützlicheres Geschenk gewähre, erwägt nicht, dass die Güte eines Wohlthäters sich nicht blos nach einer einzelnen Wohlthat bemisst. Oft ist das Geschenk eines Privatmannes grösser, als das eines Fürsten, aber die sämmtlichen Geschenke jenes werden geringer sein, als die sämmtlichen des Fürsten. Deshalb könnte man die von Gott gewährten Geschenke nur schätzen, wenn man deren ganze Ausdehnung mit Bezug auf das ganze Universum in Betracht nähme. Endlich könnte man sagen, dass Geschenke, bei denen man voraussieht dass sie schaden, nur die Geschenke eines Feindes seien; echthrôn dôra adôra. (Geschenke der Feinde sind keine Geschenke.)

Hostibus eveniant talia dona meis.

(Meine Feinde mögen solche Geschenke bekommen.)

Allein dies gilt nur, wenn bei dem Geschenkgeber eine Bosheit oder Schuld besteht, wie es bei dem Eutrapelos der Fall war, von dem Horaz spricht, welcher Leuten Gutes that, um ihnen die Mittel zu ihrem Untergang zu gewähren. Dessen Absicht war schlecht, aber die Absicht Gottes kann nicht besser sein, als sie ist. Sollte denn sein System verdorben werden? sollte es denn in dem Universum weniger Schönheit, weniger Vollkommenheit, weniger Vernunft geben, weil es darin Leute giebt, welche die Vernunft missbrauchen? Hier gelten jene bekannten Regeln: Abusus non tollit usum. (Der Missbrauch hebt den Gebrauch nicht auf.) Es giebt einen scandalum datum et scandalum acceptum. (Es giebt ein gegebenes und ein genommenes Aergerniss.)

120. V. »Ein Wesen, was Böses bewirken will, kann recht wohl seine Feinde mit herrlichen Geschenken überhäufen, sofern es weiss, dass sie davon einen ihnen verderblichen Gebrauch machen werden. Es entspricht deshalb einem unendlich guten Wesen nicht, den Geschöpfen einen freien Willen zu verleihen, von denen es sicher weiss, dass sie davon einen Gebrauch machen werden, der sie unglücklich macht. Wenn es also ihnen einen freien Willen geben will, so verbindet es damit auch das Geschick, denselben immer zweckmässig zu gebrauchen und es gestattet ihnen nicht, bei irgend einer Gelegenheit dieses Geschick nicht in Ausübung zu bringen. Hätte dieses Wesen daher kein sicheres Mittel für einen festen guten Gebrauch dieses freien Willens, so wird es eher diese Fälligkeit ihnen nehmen, als zulassen, dass sie zur Ursache ihres Unglücks werde. Dies ist um so offenbarer, als der freie Wille eine Gnade ist, welche Gott selbst für sie ausgewählt hat, ohne dass die Geschöpfe es verlangt haben. Gott ist deshalb für das Unglück, welches dieser freie Wille ihnen bringen kann, mehr verantwortlich, als wenn er denselben ihnen nur auf ihre dringenden Bitten gewährt hätte.«

Hier muss das am Schluss des vorgehenden Satzes Gesagte wiederholt werden, da es zur Beseitigung des gegenwärtigen Satzes genügt. Auch geht man immer von der falschen im dritten Satze aufgestellten Annahme aus, wonach das Glück der Geschöpfe, das ausschliessliche Ziel Gottes gewesen sein soll. Wäre dies der Fall gewesen, so gäbe es vielleicht keine Sünde, kein Unglück, selbst nicht als blose Mitfolge. Gott hätte dann eine solche Folge von Möglichkeiten gewählt, welche alle diese Uebel ausgeschlossen hätte. Gott würde aber es dann an dem haben ermangeln lassen, was er dem Universum schuldete, d.h. an dem, was er sich selbst schuldete. Gäbe es nur Geister, so fehlte denselben die nothwendige Verbindung, die Ordnung der Zeit und des Raumes. Diese Ordnung erfordert den Stoff, die Bewegung mit ihren Gesetzen. Wenn man sie auf die möglichst beste Weise mit den Geistern verbindet, so wird man auf unsere Welt zurückkommen. Betrachtet man die Dinge nicht im Grossen, so findet man tausenderlei Dinge, die nicht so gemacht worden sind, wie es sein sollte. Verlangt man, dass Gott den vernünftigen Geschöpfen nicht den freien Willen gebe, so verlangt man, dass überhaupt solche Geschöpfe nicht sein sollen und verlangt man, dass Gott sie an dem Missbrauch dieses freien Willens hindern solle, so verlangt man, dass es nur solche Geschöpfe ganz allein gebe mit dem, was rein für sie eingerichtet wäre. Hätte Gott es nur auf diese Geschöpfe abgesehen, so hätte er sie unzweifelhaft gehindert, sich in das Verderben zu stürzen. Doch kann man in gewissem Sinne selbst sagen, dass Gott diesen Geschöpfen das Geschick gegeben habe, wonach sie ihren freien Willen immer gut gebrauchen können, denn in dem natürlichen Licht der Vernunft ist dieses Geschick enthalten; man braucht nur immer den Willen zu haben, gut zu handeln; allein den Geschöpfen fehlt oft das Mittel, sich diesen schuldigen Willen zu geben und oft fehlt ihnen selbst der Wille, sich der Mittel zu bedienen, welche mittelbar einen guten Willen herbeiführen, wie ich schon wiederholt bemerkt habe. Man muss diesen Mangel einräumen und anerkennen, dass Gott die Geschöpfe vielleicht davon hätte ausnehmen können, weil anscheinend nichts hindert, dass es Geschöpfe gebe, die ihrer Natur nach immer einen guten Willen haben. Aber ich entgegne, dass es nicht nothwendig und dass es nicht ausführbar gewesen ist, dass alle vernünftigen Geschöpfe eine so grosse Vollkommenheit besässen, welche sie der Gottheit so nahe brächte. Vielleicht könnte dies wohl durch eine besondere Gnade geschehen; aber selbst wenn dies der Fall wäre, sollte da Gott in Bezug auf die vernünftigen Geschöpfe durch lauter Wunder gehandelt haben? Es gäbe nichts weniger Vernünftiges, als solche fortlaufende Wunder. Es giebt Abstufungen unter den Geschöpfen; die allgemeine Ordnung verlangt es, und es scheint der Ordnung der göttlichen Regierung ganz zu entsprechen, dass die grosse Bevorzugung und die Befestigung in dem Guten leichter denen, welche einen guten Willen haben, gewährt werde, wo sie in einem unvollkommeneren Zustande und in einem Zustande des Kampfes und der Pilgerschaft sich befinden; in Ecclesia militante, in statu viatorum. (Innerhalb einer kämpfenden Kirche, in einem Zustande von Wanderern.) Selbst die guten Engel sind nicht so geschaffen worden, dass sie nicht sündigen konnten.
Ich will indess damit nicht bestreiten, dass es nicht auch Geschöpfe giebt, die als höchst glücklich geboren sind, oder die vermöge ihrer Natur nicht sündigen können, und welche heilig sind. Manche geben dieses Vorrecht vielleicht der heiligen Jungfrau; auch die römische Kirche stellt dieselbe heut zu Tage über die Engel. Indess genügt es uns, dass das Universum sehr gross und sehr mannichfaltig ist; es zeigt von wenig Wissen, wenn man es beschränken wollte. – Aber, sagt Herr Bayle, Gott hat doch den freien Willen Geschöpfen gewährt, welche sündigen können, ohne dass sie ihn um diese Gnade gebeten haben, und der, welcher ein solches Geschenk macht, ist für das Unglück mehr verantwortlich, was es denen bereitet, die sich dessen bedienen, als wenn er es nur auf ihre dringenden Bitten gewährt hätte. Allein die dringenden Bitten haben bei Gott keine Bedeutung; er weiss besser, als wir, was wir brauchen und er gewährt uns, was mit dem Ganzen sich verträgt. Nach Herrn Bayle scheint der freie Wille hier nur in der Fähigkeit zu sündigen zu bestehen und doch erkennt er anderwärts an, dass Gott und die Heiligen auch ohne diese Fähigkeit frei seien. Mag dem sein, wie ihm wolle, so habe ich schon gezeigt, dass Gott bei Ausführung dessen, was seine Weisheit und seine Güte zusammen verlangen, für das Uebel, welches er zulässt, nicht verantwortlich ist. Selbst die Menschen sind, wenn sie ihre Pflicht thun, für die Ereignisse nicht verantwortlich, gleich viel, ob sie dieselben voraussehen oder nicht.

121. VI. »Es ist ein ebenso sicheres Mittel, einem Menschen das Leben zu nehmen, wenn man ihm eine seidene Schnur giebt, von der man sicher weiss, dass er sie freiwillig benutzen wird, um sich zu erhängen, als wenn man ihn durch einen Dritten erdolchen lässt. Man verlangt nach seinem Tode bei dem ersten Verfahren ebenso sehr, als wenn man das andere anwendet; ja im ersteren Falle geschieht es in boshafterer Absicht, weil man demselben die ganze Mühe und Schuld seines Unterganges zuzuschieben sucht.«

Die Schriftsteller, welche von den Pflichten handeln (de Officiis), wie Cicero, der heilige Ambrosius, Grotius, Opalenius, Sharrok, Rachelius, Pufendorf und ebenso die Casuistiker, lehren, dass es Fälle gebe, wo man das, was man zur Verwahrung erhalten habe, nicht zurückzugeben brauche. So wird man z.B. einen Dolch nicht zurückgeben, wenn man weiss, dass der Niederleger damit Jemand erstechen will. Gesetzt, ich hätte den Feuerbrand in meinen Händen, mit dem die Mutter des Meleager ihn tödten will, oder den verzauberten Wurfspiess, den Cephalus ohne sein Wissen gebraucht, um seine Procris zu tödten, oder die Pferde des Theseus, welche seinen Sohn Hippolyt zerrissen; würden mir diese Dinge abverlangt, so hätte ich, wenn ich den Gebrauch kennte, der davon gemacht werden sollte, das Recht sie zu verweigern. Aber wie, wenn der ordentliche Richter mich zur Zurückgabe verurtheilte, weil ich ihm nicht beweisen könnte, welche schlimme Folgen daraus nach meiner Kenntniss dies haben werde? Z.B. wenn Apollo mir die Weissagungskunst, wie der Cassandra verliehen hätte, mit dem Beding, dass ich keinen Glauben finden sollte? Ich müsste dann diese Dinge zurückgeben, da ich mich dessen ohne mein Verderben, nicht entziehen könnte. In dieser Weise wäre ich genöthigt, zu dem Uebel mit beizutragen. Oder ein anderes Beispiel: Jupiter verspricht der Semele, oder die Sonne dem Phaeton, oder Cupido der Psyche, ihr die Bitte, welche sie stellen werde, zu erfüllen. Sie schwören bei dem Styx:

Di, cujus jurare timent et fallere Numen.

(Ein Wesen, bei dem selbst die Götter sich scheuen zu schwören und es zu täuschen.)

Man möchte die halb gehörte Bitte hemmen, aber zu spät:

Voluit Deus ora loquentis

Opprimere; exierat jam vox properata sub auras.

(Gott wollte die Bitten des Sprechenden

Hemmen; aber das beschleunigte Wort war schon in die Lüfte erschallt.)

Man möchte den Bittenden, nachdem er gesprochen, davon abbringen und ihm, leider vergebliche, Vorstellungen machen; allein man wird gedrängt; es wird gesagt:

Thust Du Schwüre, um sie nicht zu halten?

Das Gesetz des Styx ist unverletzlich; man muss sich unterwerfen. Hat man gefehlt, als man schwur, so wird man noch mehr fehlen, wenn man das Geschworene nicht hält; man muss das Versprochene gewähren, so verderblich es auch für den Bittenden sein wird, denn es würde mir verderblich werden, wenn ich meinen Schwur nicht hielte.

Die Lehre dieser Fabeln will wohl andeuten, dass die höchste Noth uns nöthigen kann, dem Uebel nachzugeben. Gott kennt allerdings keinen Richter, welcher ihn nöthigen könnte das zu geben, was zum Unheil führt; er fürchtet nicht, wie Jupiter, den Styx; allein seine eigne Weisheit ist der höchste Richter, den er finden kann; ihre Entscheidungen unterliegen keiner Berufung, es sind die Beschlüsse des Schicksals. Die ewigen Wahrheiten, die Gegenstände seiner Weisheit, sind unverletzlicher als der Styx. Diese Gesetze, dieser Richter zwingen nicht; sie sind stärker, weil sie überzeugen. Die Weisheit zeigt Gott nur die bestmöglichste Ausübung seiner Güte; das daraus hervorgehende Uebel ist die unvermeidliche Folge des Bessern. Ich füge noch das Schlagendere hinzu: »Das Uebel erlauben in der Weise, wie Gott es thut, ist die grösste Güte.«


 

Si mala sustulerat, non erat ille bonus.

(Hätte er das Uebel aufgehoben, so wäre er kein Guter gewesen.)

Es ist also nur ein Querkopf, der hiernach noch behaupten kann, dass es boshafter sei, wenn man Jemand die ganze Mühe und die ganze Schuld seines Verderbens belasse. Wenn Gott dieses thut, so gehörte jenem diese Schuld schon vor seinem Dasein; sie war dann in Gottes Wissen vor dem Beschluss Gottes, der sie in das Sein treten liess, nur eine rein-mög liche. Kann sie da unterlassen oder einem Andern zugewendet werden? Damit ist alles gesagt.

122. VII. »Ein wirklicher Wohlthäter giebt schnell und wartet damit nicht, bis die, welche er liebt, lange deshalb gelitten haben, weil er ihnen das vorenthalten, was er ihnen leicht und ohne Unbequemlichkeit gewähren konnte. Wenn er wegen seiner beschränkten Kraft das Gute nicht ohne Erregung von Schmerzen oder ohne sonst eine Unbequemlichkeit gewähren kann, so fügt er sich dem (man sehe das geschichtliche und kritische Wörterbuch. II. Ausgabe, S. 2261); aber nur ungern und er benutzt niemals diese Art Gutes zu thun, wenn er das Gute so thun kann, dass seine Gunst mit keinem Uebel vermischt wird. Wenn der Nutzen, welcher aus zu erduldenden Uebeln hervorgeht, ebenso leicht aus einem reinen Gut, als wie aus diesen Uebeln gewonnen werden kann, so wird er den geraden Weg des reinen Guts einschlagen und nicht den Umweg, welcher durch Uebel zum Guten führt. Wenn er Reichthümer und Ehren auf Menschen häuft, so geschieht es nicht, damit die, welche sie geniessen, bei deren Verlust um so härter betrübt werden, indem sie an diese Genüsse gewöhnt waren und damit sie dadurch unglücklicher werden, als die, welche diese Vortheile niemals gehabt haben. Nur ein boshaftes Wesen würde um diesen Preis Güter auf Personen häufen, die es am meisten hasst. Man vergleiche damit die Stelle bei Aristoteles, in seiner Rhetorik, Buch I, Kap. 23: hoion ei doiê an tis tini, hina aphelomenos, lypêsê, hothen kai tout' eirêtai. Das heisst: Gleichwie wenn Jemand einem Anderen etwas giebt, damit er diesem (nachher) durch die Beraubung desselben Schmerz bereite. Daher auch jenes Sprichwort:

Grosse Güter giebt Gott Vielen nicht als Freund,

Sondern um durch deren Beraubung ihnen grössern Schmerz zu bereiten.«
 

Alle diese Einwürfe drehen sich um denselben Scheingrund; sie verändern und verstecken das thatsächliche und sagen die Dinge nur halb. Gott sorgt für das Menschengeschlecht, er liebt es, er will ihm wohl; nichts ist sicherer, als dies. Trotzdem lässt er die Menschen fallen, er lässt sie oft untergehen, er gewährt ihnen Güter, welche zu ihrem Verderben ausschlagen und wenn er Jemand glücklich macht, so geschieht es, nachdem dieser lange gelitten hat; wo bleibt da seine Liebe, wo seine Güte, ja, wo bleibt da seine Macht? Allein dies sind eitle Einwürfe, welche die Hauptsache unterdrücken und verhüllen, dass es Gott ist, von dem man spricht; vielmehr scheinen sie von einer Mutter, einem Vormund, einem Erzieher zu sprechen, der nur für die Erziehung, die Erhaltung und das Glück der einzelnen betreffenden Person zu sorgen hat und der seine Pflichten vernachlässigt. Gott aber sorgt für das Universum, er vernachlässigt Nichts, er wählt unbedingt das Beste. Wenn Jemand damit böse und unglücklich wird, so gehörte es zu ihm, so zu sein. Man sagt, Gott hätte das Glück Allen verleihen können, ohne irgend eine Unbequemlichkeit, denn Gott vermöge alles. Aber ist er auch verpflichtet dazu? Gerade weil er es nicht thut, ist dies ein Zeichen, dass er ganz anders zu handeln hatte. Wenn man folgert, dass es entweder zu bedauern sei und aus Mangel an Macht geschehe, wenn er die Menschen nicht glücklich macht und er das Gute nicht sofort und frei vom Uebel gewährt; oder, dass er das Gute nur aus Mangel an gutem Willen nicht rein und genug gewähre, so heisst dies, unsern Gott mit dem Gotte des Herodot vergleichen, der voll Neid ist oder mit dem bösen Geist des Dichters, dessen Verse Aristoteles anzieht und die ich oben übersetzt habe, welcher Güter nur austheilt, damit er durch deren Wegnahme um so mehr Schmerzen bereite. Dies ist ein Spiel mit Gott durch ununterbrochene Gleichstellung desselben mit menschlichen Zuständen; das heisst ihn als einen Menschen darstellen, der sich ganz einem bestimmten Geschäft hingiebt, welcher seine Güte nur den ihm bekannten Dingen zuwendet und dem entweder die Fälligkeit oder der gute Wille fehlt. Gott hat aber keinen Mangel daran; er könnte das Gute, was wir erwünschen, gewähren; ja er will es, für sich allein genommen; aber er ist dazu nicht verbunden auf Kosten anderer grösserer Güter, welche sich dem entgegenstellen. Uebrigens braucht man sich darüber nicht zu beklagen, dass man gewöhnlich nur durch viele Leiden, und indem man das Kreuz Jesu Christi trägt, zum Heil gelangt. Diese Uebel machen die Erwählten zu Nachfolgern ihres Herrn und vermehren ihr Glück.

123. VIII. »Der grösste und wahrhafteste Ruhm, welchen ein Herr über Andere erwerben kann besteht darin, dass er unter denselben die Tugend, die Ordnung, den Frieden, die Zufriedenheit aufrecht erhält. Der Ruhm, welcher ihm aus deren Unglück erwächst, ist nur ein falscher Ruhm.«

Wenn wir den Staat Gottes kennten, so würden wir sehen, dass es der vollkommenste ist, der erdacht werden kann; dass Glück und Tugend so viel darin bestehen, als nach dem Gesetz des Besseren möglich ist; dass die Sünde und das Unglück (welche gänzlich aus der Ordnung der Dinge auszuschliessen, Gründe der höchsten Ordnung nicht gestatteten) im Vergleich zum Guten beinah verschwinden und selbst zur Hervorbringung grösserer Güter dienen. Da also diese Uebel in's Dasein treten mussten, so mussten auch Einzelne denselben unterworfen werden und wir sind diese Einzelnen. Wären es Andere, bliebe da nicht doch derselbe Schein des Hebels?
Oder würden nicht vielmehr diese Andern die seien, die man mit »Wir« bezeichnet. Wenn für Gott einiger Ruhm aus dem Uebel deshalb folgt, weil er es zum Mittel für ein grösseres Gut gemacht, so sollte er diesen Ruhm daraus ziehen. Es ist deshalb dieser Ruhm kein falscher Ruhm, wie etwa der eines Fürsten, der seinen Staat umstürzte, um die Ehre von dessen Wiederherstellung sich zu erwerben.

124. IX. »Die grösste Liebe zur Tugend, welche dieser Herr beweisen könnte, wäre, wenn er es vermöchte, die, dass diese Tugend immer und ohne Mischung mit dem Laster geübt würde. Wenn er diesen Vortheil seinen Unterthanen leicht verschaffen könnte und er doch gestattete, dass das Laster sein Haupt erhöbe, nur um es, nachdem er es lange zugelassen, dann strafen zu können, so wäre seine Liebe zur Tugend nicht die grösstmöglichste und daher nicht unendlich.«

Ich bin noch nicht bis zur Hälfte der 19 Einwürfe gekommen und schon bin ich es müde, immer die nämliche Sache zu widerlegen und darauf zu antworten. Herr Bayle vervielfacht ohne Noth seine angeblichen, meinen Sätzen entgegengestellten Einwürfe. So wie man die mit einander verknüpften Dinge sondert, die Theile von dem Ganzen trennt, das menschliche Geschlecht von dem Universum und die einzelnen Eigenschaften Gottes von einander, die Macht von der Weisheit löst, darf man sagen, Gott kann es machen, dass die Tugend in der Welt sich mit dem Laster nicht vermischt und dass Gott dies selbst leicht bewirken kann. Aber weil er das Laster zulässt, so muss die Ordnung des Universum, welche sich als die vorzüglichere gegen jeden andern Plan gezeigt, dies verlangt haben. Man muss annehmen, dass eine andere Einrichtung nicht gestattet gewesen, weil es damit nicht besser gemacht werden konnte. Es ist dies eine bedingte, moralische Nothwendigkeit, die der Freiheit Gottes nicht widerspricht, sondern die Wirkung seiner Wahl ist. Quae ratione contraria sunt, ea nec fieri posse a sapienti credendum est. (Das der Vernunft Widersprechende kann, wie man annehmen muss, selbst von dem Weisen nicht geschehen.) Man entgegnet hier, dass Gottes Liebe zur Tugend daher nicht die grösste, welche man sich vorstellen könne, sei; dass sie keine unendliche sei. Darauf habe ich schon bei Nr. II. geantwortet und gesagt, dass die Liebe Gottes zu den erschaffenen Dingen dem Werthe derselben entspreche. Die Tugend ist die edelste Eigenschaft der geschaffenen Dinge, allein sie ist nicht die alleinige gute Eigenschaft; es giebt deren noch zahllose andere, welche die Zuneigung Gottes auf sich ziehen. Aus allen diesen Neigungen geht das möglichst viele Gute hervor; gäbe es nur die Tugend, so gäbe es auch nur vernünftige Geschöpfe und daher weniger Gutes. Midas hielt sich für weniger reich, als er nur Gold hatte; die Weisheit verlangt auch die Mannichfaltigkeit. Die blose Vervielfältigung einer Sache wäre ein Ueberfluss und die Armuth. Tausend gut eingebundene Virgile in seiner Bibliothek zu haben, immer die Arien aus der Oper Cadmus und Hermione zu singen, alles Porzellan zu zerbrechen, um nur Tassen von Gold zu haben, nur Knöpfe aus Diamanten zu tragen, nur Rebhühner zu essen, nur Wein aus Ungarn oder Schiras zu trinken, wäre dies vernünftig? Die Natur hat der Thiere, der Pflanzen, der leblosen Körper bedurft. In diesen von Gott geschaffenen vernunftlosen Dingen giebt es Wunderbares zur Uebung der Vernunft. Was sollte ein einsichtiges Geschöpf machen, wenn es keine Dinge gäbe, denen die Einsicht abgeht? An was sollte es denken, wenn es keine Bewegung, keinen Stoff, kein Sinnesorgan gäbe? Hätte es nur deutliche Gedanken, so wäre es ein Gott und seine Weisheit ohne Schranken. Dies ist eine Folge meiner Erwägungen. Erst sobald es eine Mischung verworrener Gedanken giebt, sind die Sinne, ist der Stoff da; denn alle jene verworrenen Gedanken kommen aus der Beziehung aller Dinge untereinander, je nach der Dauer und der Ausdehnung. Deshalb giebt es nach meiner Philosophie kein vernünftiges Geschöpf ohne irgend einen organischen Körper und keinen, von dem Stoff ganz losgelösten, erschaffenen Geist. Diese organischen Körper wechseln aber nicht minder in ihrer Vollkommenheit, wie die Geister, denen sie angehören. Da es also nach Gottes Weisheit einer körperlichen Welt bedarf, einer Welt von Substanzen, die des Wahrnehmens, aber nicht der Vernunft fähig sind; da endlich von allen Dingen das gewählt werden musste, was zusammen die beste Wirkung erzielte und das Laster nur durch diese Thür mit in die Welt eingetreten ist, so würde Gott nicht vollkommen gut, nicht vollkommen weise gewesen sein, wenn er es ausgeschlossen hätte.

125. X. »Der grösste Hass gegen das Laster besteht nicht darin, dass man es lange Zeit herrschen lässt und dann es straft, sondern dass man es vor seiner Geburt erstickt, d.h. hindert, dass es sich irgendwo zeige. Wenn z.B. ein König seine Finanzen in so gute Ordnung brächte, dass nie eine Unterschlagung geschehen könnte, so würde er gegen die Ungerechtigkeit der Einwohner mehr Hass beweisen, als wenn er sie erst bestrafte, nachdem er gelitten, dass sie sich mit dem Blute des Volkes mästeten.«

Das ist immer dieselbe Rede; eine ganze volle Vermenschlichung Gottes. Einem König soll in der Regel nichts so sehr angelegen sein, als seine Unterthanen vor Unterdrückung zu schützen. Eine der wichtigsten Obliegenheiten für ihn ist die Ordnung seiner Finanzen. Dennoch muss er zu Zeiten das Laster und Unordnungen gestatten. Er muss z.B. einen grossen Krieg beginnen, oder er hat sich schon erschöpft, er kann keine Generale finden, er muss die schonen, welche er hat und welche ein grosses Ansehen bei den Soldaten geniessen, einen Braccio, einen Sforza, einen Wallenstein; das Geld fehlt für die dringendsten Bedürfnisse; der König muss sich an die grossen Finanzleute wenden, welche einen gesicherten Credit geniessen und er muss gleichzeitig gegen ihre Unterschlagungen nachsichtig sein. Allerdings ist diese unglückliche Nothwendigkeit meist die Folge von vorausgegangenen Fehlern, allein dies ist bei Gott nicht ebenso; er braucht Niemand, er macht keine Fehler, er thut immer das Beste. Man kann nicht einmal wünschen, dass die Sachen besser gingen, sofern man sie versteht, und es wäre eine Sünde für den Schöpfer aller Dinge, wenn er das darin enthaltene Böse daraus entfernen wollte. Dieser Zustand einer vollkommenen Regierung, wo man das möglichst Gute will und thut, wo selbst das Uebel nur dem grösseren Gute dient, kann der mit dem Staate eines Fürsten verglichen werden, dessen Geschäfte im Verfall sind und der sich hilft, so gut er kann? oder mit dem eines Fürsten, welcher die Unterdrückung begünstigt, um sie nachher zu bestrafen und der sich freut, wenn er die Kleinen am Bettelstab und die Grossen auf dem Schaffot sieht?

126. XI. »Ein Gebieter, welcher sich für die Tugend und das Wohl seiner Unterthanen interessirt, sorgt auf alle mögliche Weise dafür, dass seine Gesetze nicht verletzt werden; ist er genöthigt, seine Unterthanen für ihren Ungehorsam zu züchtigen, so thut er es so, dass die Strafe sie von der Hinneigung zum Bösen heilt und in ihrer Seele wieder eine feste und beharrliche Neigung zum Guten herstellt. Er ist weit entfernt von der Absicht, durch die Strafe ihrer Fehler ihre Neigungen zum Bösen immer mehr zu stärken.«

Um die Menschen zu bessern, that Gott alles, was sich gehört und selbst alles, was von seiner Seite, unbeschadet dessen, was sich gehört, geschehen kann. Das gewöhnlichste Ziel der Strafe ist die Besserung; aber es ist nicht das einzige, noch das, was Gott sich immer vorsetzt. Ich habe dies schon früher bemerkt. Die Erbsünde, welche die Menschen zum Bösen hinneigen macht, ist nicht eine blose Strafe der ersten Sünde, sie ist vielmehr eine natürliche Folge derselben. Ich habe auch, bei meiner Erwiderung auf den vierten theologischen Satz, dieses angedeutet. ES ist wie mit der Trunkenheit, die eine Strafe des übermässigen Trinkens ist; und gleichzeitig ist sie auch eine natürliche Folge, die zu neuen Sünden antreibt.

127. XII. »Wenn man das Uebel zulässt, was man verhindern kann, so sorgt man sich nicht darum, ob es geschieht oder nicht geschieht, ja es ist eher ein Wunsch, dass es geschehe.«

Durchaus nicht. Wie oft lassen Menschen Uebel zu, die sie bei Anwendung aller ihrer Kraft nach dieser Seite hin, verhindern könnten? Aber andere und wichtigere Sorgen hindern sie daran. Man wird sich selten zu einer Verbesserung der umlaufenden schlechten Münzen entschliessen, wenn man in einen grossen Krieg verwickelt ist. Das, was das englische Parlament in dieser Beziehung noch vor dem Frieden von Ryswick that, wird mehr gelobt, als nachgeahmt werden. Kann man daraus folgern, dass der Staat sich um diese Unordnung nicht kümmere, ja dass er sie wünsche. Gott hat nun noch einen stärkeren und seiner würdigeren Grund, wenn er die Uebel gestattet. Er zieht nicht allein daraus grössere Güter, sondern er findet sie auch mit den grössten aller möglichen Güter verknüpft. Es wäre also ein Fehler, wenn er jene nicht gestatten wollte.

128. XIII. »Es ist ein grosser Fehler der Regierenden, wenn sie sich um das Dasein oder Nicht-Dasein der Unordnung in ihrem Staate nicht kümmern. Der Fehler ist noch grösser, wenn sie dieselbe wollen, ja wünschen. Wenn sie auf geheimen und mittelbaren, aber untrüglichen Wegen eine Empörung in ihrem Staate erregten, welche ihn dem Untergange nahe brächte, um dadurch sich Ruhm zu verschaffen, indem sie zeigen, dass sie den zur Rettung eines grossen dem Untergange nahen Reichs nöthigen Muth und Verstand besitzen, so wäre dies höchst verdammenswerth. Wenn sie aber diese Empörung erregten, weil nur dadurch das gänzliche Verderben ihrer Unterthanen gehemmt und nur dadurch das Glück ihrer Völker auf neuen Grundlagen und für mehrere Jahrhunderte befestigt werden könnte, so müsste man diese unglückliche Nothkeit beklagen (man sehe was hierüber auf Seite 84, 86, 140 über die Gewalt der Nothwendigkeit gesagt worden), zu der sie genöthigt worden sind und sie für den davon gemachten Gebrauch loben.«

Dieser und mehrere andere hier aufgestellte Sätze sind auf die Regierung Gottes nicht anwendbar. Einmal ist es nur ein sehr kleiner Theil seines Reichs, von dem man uns die Unordnung vorhält und dann ist es falsch, dass er sich um diese Uebel nicht kümmere, sie wünsche, sie entstehen lasse, um des Ruhmes ihrer Beseitigung willen. Gott will die Ordnung und das Gute; aber mitunter ist das, was in einem Theile Unordnung ist, Ordnung im Ganzen. Ich habe schon jene Rechtsregel angeführt: Incivile est, nisi tota lege inspecta judicare. (Es ist unrecht, wenn man ohne Einsicht des ganzen Gesetzes entscheidet.) Die Gestattung der Uebel kommt von einer Art moralischer Nothwendigkeit; Gott ist dazu durch seine Weisheit und seine Güte genöthigt; diese Nothwendigkeit ist eine glückliche, während die, in welcher sich der Fürst im obigen Satze befindet, eine unglückliche ist. Sein Staat ist durchaus verdorben, während die Regierung Gottes den möglichst besten Staat ergiebt.

129. XIV. »Die Gestattung eines bestimmten Uebels ist nur dann zulässig, wenn nur dadurch ein grösseres Uebel vermieden werden kann; aber sie ist bei denen nicht entschuldbar, welche ein ganz wirksames Mittel gegen dieses Uebel und gegen alle aus der Unterdrückung jenes sich ergebenden weiteren Uebel in ihren Händen haben.«

Dieser Satz ist wahr, aber er kann nicht gegen die Regierung Gottes geltend gemacht werden. Die höchste Vernunft nöthigt ihn, das Uebel zu gestatten. Wenn Gott nicht das unbedingt und durchaus Beste wählte, so wäre dies ein viel grösseres Uebel, als alle jene besondern Uebel, welche er durch dieses Mittel verhindern könnte. Diese schlechte Wahl würde seine Weisheit und Güte aufheben.

130. XV. »Ein allmächtiges Wesen, was der Schöpfer des Stoffes und der Geister ist, kann mit diesem Stoffe und diesen Geistern alles machen, was es will. Jeden Zustand und jedwede Gestalt kann es diesen Geistern geben. Wenn es daher ein physisches oder moralisches Uebel gestattet, so geschieht es nicht, weil ohnedem ein anderes grösseres physisches oder moralisches Uebel ganz unvermeidlich folgen würde. Alle Gründe für eine Mischung von Uebeln und Gütern, die aus der beschränkten Macht des Wohlthäters gerechtfertigt werden, würde bei diesem Wesen keine Anwendung finden.«

Es ist richtig, dass Gott aus dem Stoffe und den Geistern alles macht, was er will; allein er gleicht einem guten Bildhauer, welcher aus seinem Marmorblock nur das Beste und das, was er für gut hält, machen will. Gott macht aus dem Stoffe die schönste aller möglichen Maschinen; er macht aus den Geistern die schönste aller möglich-denkbaren Regierungen und noch mehr, er errichtet für ihre Vereinigung die vollkommenste aller Harmonien nach dem von mir dargelegten Systeme. Da nun sich das physische und moralische Uebel in diesem vollkommenen Werke vorfinden, so muss man (gegen das was Herr Bayle hier behauptet) annehmen, dass ohnedem ein noch grösseres Uebel ganz unvermeidlich gewesen sein würde. Ein so grosses Uebel würde ergeben, dass Gott schlecht gewählt haben würde, wenn er anders, als geschehen, gewählt hätte. Gott ist allerdings allmächtig; allein seine Macht ist unbestimmt in ihrer Richtung und die Güte und Weisheit bestimmen sie gemeinsam, das Beste zu schaffen. Herr Bayle macht noch einen ihm allein zugehörigen Einwurf, welchen er den Ansichten der modernen Cartesianer entnimmt, wonach Gott den Seelen beliebige Gedanken einflössen kann, ohne diese von irgend einer Beziehung zum Körper abhängig zu machen. Dadurch könne man den Seelen eine Menge Uebel ersparen, welche nur von körperlichen Unordnungen herkommen. Hierüber werde ich noch später sprechen, hier möge die Bemerkung genügen, dass Gott kein schlecht in sich verbundenes System voller Dissonanzen aufstellen konnte. Die Natur der Seele ist der Art, dass sie unter andern auch die Körper vorstellt.

131. XVI. »Man ist eben so sehr Ursache eines Ereignisses, wenn man es auf moralischem Wege herbeiführt, wie wenn es auf physischem geschieht. Ein Staatsminister, welcher ohne aus seinem Cabinet herauszutreten, nur durch Benutzung der Leidenschaften bei den Leitern einer Niederträchtigkeit, alle deren Complote zerstört, ist nicht minder der Zerstörer dieser Niederträchtigkeit, als wenn er dies durch einen Handstreich thut.«

Ich kann diesen Satz annehmen. Man legt das Uebel immer moralischen Ursachen zur Last und nicht immer physischen. Wenn ich indess das Unrecht eines Andern nur durch Begehung eines eigenen Unrechts hindern kann, so darf ich es geschehen lassen und ich bin dann nicht Mitschuldiger und nicht die moralische Ursache. Bei Gott würde nun jeder Fehler von ihm für ein Unrecht seinerseits gelten; ja er würde selbst mehr als ein Unrecht sein, weil er die Göttlichkeit zerstörte. Es wäre aber ein grosser Fehler bei ihm, wenn er nicht das Beste erwählte, wie ich schon oft gesagt habe und er würde also in diesem Falle die Sünde nur durch etwas hemmen, was schlechter wäre, als alle Sünde.

132. XVII. »Es ist gleich, ob ich eine nothwendige Ursache oder eine freie Ursache in dem Zeitpunkte aufwende, wo ich letztere als bestimmt erkenne. Wenn ich annehme, dass das Schiesspulver die Kraft sich zu entzünden oder auch nicht zu entzünden hat, wenn das Feuer es berührt und wenn ich sicher weiss, dass es um 8 Uhr des Morgens Willens ist, sich zu entzünden, so bin ich die Ursache seiner Wirkungen, wenn ich das Feuer zu dieser Stunde an es heranbringe, ebenso als wenn ich angenommen hätte, dass, wie es wirklich der Fall ist, es sich hier um eine nothwendige Ursache handelt. Denn für mich wäre es im ersten Falle keine freie Ursache mehr; ich benutzte das Pulver in dem Zeitpunkte, wo es durch seine eigene Wahl sich in der Nothwendigkeit befindet. Es ist unmöglich, dass ein Wesen frei oder nicht bestimmt sei in Beziehung auf das, wozu es schon entschlossen ist. Alles, was besteht, besteht nothwendig, wenn es besteht (to einai to on, hotan ê, kai to mê on mê einai, hotan mê ê, anankê. Es ist nothwendig, dass das Seiende ist, wenn es ist und dass das Nichtseiende wenn es nicht ist, nicht ist. Aristoteles Hermeneia, Kap. 9. Die Nominalisten haben diesen Satz von Aristoteles angenommen. Scotus und mehrere andere Scholastiker scheinen ihn zu verwerfen, allein im Grunde laufen ihre Unterscheidungen auf dasselbe hinaus. Man sehe die Jesuiten von Coimbra über diese Stelle bei Aristoteles, S. 880 u. f.)«

Auch diesen Satz kann ich annehmen, nur möchte ich einige Ausdrücke ändern. Ich nehme »frei« und »nicht bestimmt« nicht für ein und dasselbe, und ich halte »frei« und »bestimmt« für keine Gegentheile. Eine völlige Unbestimmtheit im Sinne eines völligen Gleichgewichts ist bei dem Menschen nicht vorhanden; es besteht immer ein Uebergewicht bei einer Neigung und man neigt deshalb nach einer Seite mehr als nach der andern; allein man ist niemals zu der Wahl, die man trifft, gezwungen, in dem Sinne einer unbedingten und metaphysischen Nothwendigkeit, da man anerkennen muss, dass Gott und der Weise durch eine moralische Nothwendigkeit zu dem bessern bestimmt werden. Man muss auch anerkennen, dass man zu der Wahl durch eine bedingte Nothwendigkeit gezwungen wird, wenn man wirklich wählt, und selbst schon vorher ist man durch die Wahrheit des Kommenden gezwungen, weil man dann es thun wird. Diese bedingten Nothwendigkeiten schaden nicht. Ich habe schon oben darüber mich ausgesprochen.

133. XVIII. »Wenn ein ganzes Volk sich der Empörung schuldig gemacht hat, so ist es keine genügende Milde, wenn man nur dem hundert-tausendsten Theile desselben verzeiht, und alle Uebrigen, selbst die Kinder an der Mutterbrust zu Tode bringt.«

Man scheint anzunehmen, dass es hunderttausendmal mehr Verdammte alsErrettete gebe und dass die ungetauften Kinder zu den ersteren gehören. Ich habe beides bestritten; insbesondere die Verdammniss dieser Kinder. Ich habe schon früher darüber gesprochen. Herr Bayle macht diesen seinen Einwurf auch anderwärts geltend (Antwort auf die Fragen eines Provinzialen. Thl. III. Kap. 178. S. 1223), wo er sagt: »Offenbar muss ein Fürst, welcher sowohl gerecht wie gnädig handeln will, bei einer Stadt, die sich empört hat, sich mit der Bestrafung einer kleinem Zahl von Meuterern genügen lassen und den übrigen allen verzeihen; denn wenn die Zahl der Gezüchtigten zu der der Begnadigten sich wie Tausend zu Eins verhält, so kann er nicht für sanftmüthig, sondern nur für grausam gelten. Sicherlich würde er für einen abscheulichen Tyrann gelten, wenn er Strafen von langer Dauer anwendete und das Blut nur deshalb sparte, weil er meint, dass man den Tod einem elenden Leben vorziehen werde und wenn der Trieb der Rache mehr Antheil an seiner Strenge hätte, als die Absicht durch die beinah allen Aufrührern auferlegte Strafe dem allgemeinen Wohl zu dienen. Man meint, dass die Verbrecher, die man hinrichtet, ihr Verbrechen durch den Verlust ihres Lebens völlig aussühnen, dass das Volk nicht mehr verlangt, und dass es über ungeschickte Henker unwillig wird. Das Volk würde sie steinigen, wenn es wüsste, dass sie aus Absicht wiederholte Hiebe thun; selbst die dabei gegenwärtigen Richter wären nicht ausser Gefahr, wenn man glaubte, dass sie sich an diesem schlechten Spiel der Henker ergötzten und dass sie dieselben unter der Hand dazu veranlasst hätten. Man verstehe dies nicht in strenger Allgemeinheit. In manchen Fällen billigt es das Volk, dass man gewisse Verbrecher am langsamen Feuer sterben lässt, wie Franz I. einige Personen so sterben liess, welche nach den berüchtigten Placaten von 1534 der Ketzerei angeschuldigt waren. Das Volk hatte kein Mitleiden mit Ravaillac, der auf mehrfache Weise fürchterlich gequält wurde. Man sehe den Mercure Français. B. I. Blatt 453 u. f. Man sehe auch die Geschichte vom Tode Heinrich IV. von Peter Matthieu und man übersehe nicht, was er über die Richter sagt, welche sich über die von diesem Vatermörder verdiente Strafe beriethen. Endlich ist es im höchsten Maasse notorisch, dass die Fürsten, welche sich nach dem heiligen Paulus richten würden, d.h. alle, welche er zum ewigen Tode verdammt, hinrichten lassen wollten, für Feinde des menschlichen Geschlechts und für Zerstörer der Gesellschaften gelten würden. Unzweifelhaft würden ihre Gesetze, anstatt nach dem Ziele aller Gesetzgeber die Gesellschaft aufrecht zu erhalten, mir ihren gänzlichen Untergang herbeiführen. [Man nehme die Worte des jüngeren Plinius hinzu, der Buch 8 in seinem 22. Briefe sagt: Mandemus memoriae, quod vir mitissimus, et ob hoc quoque maximus, Phrasea crebro dicere solebat, qui vitia odit, homines odit. (Ich bringe empfehlend in Erinnerung, was ein höchst milder und deshalb grosser Mann, Phrasea, öfters gesagt hat: ›Wer die Fehler hasst, hasst auch die Menschen.‹)]« Er fügt hinzu, dass man von den Gesetzen Drako's, des atheniensischen Gesetzgebers, sage, dass sie mit Blut, statt mit Tinte geschrieben seien, weil sie alle Verbrechen mit der höchsten Strafe belegten, und weil die Verdammniss eine viel grössere Strafe sei, als der Tod. Allein man bedenke, dass die Verdammniss eine Folge der Sünde ist, und ich antwortete einmal einem Freunde, welcher mir das Missverhältniss zwischen einer ewigen Strafe und einem begrenzten Verbrechen vorhielt, dass hier nichts Unrechtes sei, wenn die Fortdauer der Strafe nur eine weitere Folge von der Fortdauer der Sünde sei, wie ich noch später besprechen werde. Was die Zahl der Verdammten anlangt, so würde, wenn sie bei den Menschen viel grösser, als die der Geretteten sein sollte, dies nicht hindern, dass in dem Universum die glücklichen Geschöpfe an Zahl die unglücklichen weit übertreffen. Das Beispiel eines Fürsten, welcher nur die Häupter der Empörer bestraft und das Beispiel eines Feldherrn, der ein Regiment nur dezimirt, haben hier keine Anwendung. Das eigene Interesse nöthigt den Fürsten und Feldherrn, den Schuldigen zu verzeihen, selbst wenn sie schlecht bleiben sollten; Gott dagegen verzeiht nur denen, die sich bessern; er kann sie herausfinden und diese Strenge entspricht mehr der vollkommenen Gerechtigkeit. Fragt man aber, weshalb Gott nicht Allen das Geschenk der Bekehrung gewährt, so gehört dies zu einer andern Frage, die mit dem Satze hier keine Beziehung hat. Ich habe schon gewissermassen darauf geantwortet, nicht um die Gründe Gottes darzulegen, sondern nur um zu zeigen, dass ihm solche nicht fehlen werden und dass dagegen sich nichts vollgültiges sagen lasse. Wir wissen endlich, dass man manchmal ganze Städte zerstört und die Bewohner über die Klinge springen lässt, um die Uebrigen abzuschrecken. Dergleichen kann einen grossen Krieg oder eine grosse Empörung abkürzen und man spart dadurch Blut, indem man es vergiesst; das ist kein dezimiren. Ich kann allerdings nicht behaupten, dass die Bösen unseres Welttheils so streng bestraft werden, um die Bewohner anderer Himmelskörper in Furcht zu erhalten und zu bessern; allein viele andere Gründe der all gemeinen Harmonie können dieselbe Wirkung hervorbringen, welche wir nicht kennen, weil uns die Ausdehnung des Gottesstaats und die Form der allgemeinen Republik der Geister und der ganze Aufbau der Körper nicht genügend bekannt ist.

134. XIX. »Die Aerzte, welche unter vielen zur Heilung eines Kranken geeigneten Medicinen, von denen sie wissen, dass er mehrere sehr gern einnehmen werde, gerade die auswählen, von der sie wissen, dass der Kranke sie nicht einnehmen wird, haben gut ermahnen und bitten, er solle sie nehmen; man wird doch mit Recht glauben, dass sie keine Lust haben, ihn zu heilen, denn sonst würden sie ihm eine von den guten Arzneien gegeben haben, von denen sie wissen, dass er sie gern hinnimmt. Wissen sie ausserdem, dass die Abweisung der verordneten Arznei die Krankheit erschweren und tödtlich machen werde, so könnte man wohl sagen, dass sie, trotz aller ihrer Ermahnungen, doch den Tod des Kranken wünschen.«

Gott will alle Menschen erretten; d.h. er würde sie erretten, wenn sie selbst ihn nicht daran hinderten und die Annahme seiner Gnade verweigerten und Gott ist weder verpflichtet noch durch seine Vernunft geneigt, den bösen Willen immer zu überwinden. Dennoch thut er dies manchmal, wenn höhere Gründe dies gestatten und wenn sein nachfolgender und beschliessender Wille, der sich aus allen seinen Erwägungen ergiebt, ihn zur Auswahl einer bestimmten Anzahl Menschen veranlasst. Er leistet Allen Hülfe zu ihrer Bekehrung und Beharrlichkeit; diese Hülfe genügt für die, welche den guten Willen haben, aber sie genügt nicht immer zur Verleihung des guten Willens. Die Menschen erlangen diesen guten Willen entweder durch besondere Hülfe oder durch Umstände, welche die allgemeinen Hülfen erfolgreich machen. Gott bietet auch noch Hülfsmittel an, trotzdem dass er weiss, dass man sie abweisen und dadurch sich noch schuldiger machen werde; aber soll denn Gott ungerecht sein, damit der Mensch weniger strafbar sei? Auch kann die Gnade, welche den einen nichts hilft, andern nützen und sie gehört immer zur Vollständigkeit des Planes Gottes, welcher der beste ist, der zu fassen möglich ist. Soll Gott keinen Regen senden, weil einzelne Orte davon Schaden leiden? Soll die Sonne nicht so viel scheinen, als es im allgemeinen nöthig ist, weil einzelne Orte dadurch zu sehr ausgetrocknet werden? Alle jene von Herrn Bayle in seinen Sätzen gegebenen Beispiele von einem Arzt, einem Wohlthäter, einem Staatsminister, einem Fürsten sind nur deshalb schlagend, weil man deren Pflichten kennt sammt dem, was der Gegenstand ihrer Sorgfalt sein kann und soll; sie haben es nur mit einem Gegenstande zu thun und sie fehlen hier oft aus Nachlässigkeit oder Bosheit. Der Gegenstand Gottes hat etwas unendliches an sich; seine Sorgfalt umfasst das Universum; was wir davon kennen, ist so viel wie nichts und doch wollen wir seine Weisheit und Güte nach unserm Wissen messen; welche Verwegenheit oder besser, welche Thorheit! Die Einwürfe setzen Falsches voraus; es ist verkehrt, wenn man über das Recht entscheiden will, ohne das Thatsächliche zu kennen. Wenn man mit dem heiligen Paulus ausruft: O altitudo divitiarum et sapientiae (Oh, welche Grösse der Reichthümer und der Weisheit), so entsagt man nicht der Vernunft; im Gegentheil, man benutzt die Gründe, welche man kennt; denn sie lehren uns jene Unermesslichkeit Gottes, von welcher der Apostel spricht. Man gesteht damit nur seine Unkenntniss des Thatsächlichen, aber erkennt, ehe man es sieht, dass Gott alles so gut, als möglich macht, in Gemässheit seiner All-Weisheit, welche sein Handeln leitet.
Wir haben allerdings schon davon Proben und Ausführungen vor uns, wenn wir etwas in sich ganz Vollendetes und Einzelnes so zu sagen unter Gottes Werken erblicken. Ein solches, so zu sagen von der Hand Gottes gebildetes Ganze ist eine Pflanze, ein Thier, ein Mensch. Wir können die Schönheit und das Kunstvolle seines Baues nicht genug bewundern. Sehen wir dagegen einen zerbrochenen Knochen, ein Stück Fleisch von Thieren, einen Zweig von einer Pflanze, so scheint da nur Unordnung zu sein, wenn nicht ein tüchtiger Anatom sie betrachtet und auch dieser würde darin nichts erkennen, wenn er nicht früher solche Stücke in Verbindung mit dem Ganzen gesehen hätte. So ist es auch mit der Regierung Gottes; das, was wir bis jetzt davon sehen können, ist ein Stück und nicht gross genug, um daran die Schönheit und Ordnung des Ganzen zu erkennen. So führt die Natur der Dinge von selbst dahin, dass diese Ordnung in dem Staate Gottes, den wir hier unten noch nicht sehen, der Gegenstand unseres Glaubens, unserer Hoffnung, unseres Gottvertrauens ist. Giebt es Leute, die hier anders urtheilen, desto schlimmer für sie; sie sind die Unzufriedenen in diesem Staate, der grösser und besser ist, als alle Monarchieen. Sie handeln unrecht, dass sie die Proben, welche er von seiner Weisheit und unendlichen Güte gegeben hat, nicht beachten, womit Gott sich nicht blos als ein bewundernswürdiger, sondern auch liebenswürdig über Alles hinaus zu erkennen giebt.

135. Ich hoffe, dass Alles, was in diesen 19 von mir betrachteten Sätzen des Herrn Bayle enthalten ist, die erforderliche Antwort erhalten haben wird. Es scheint, dass er früher viel über diesen Gegenstand nachgedacht hat und daher das stärkste in diesen Sätzen ausgesprochen hat, was sich über die moralische Ursache des moralischen Uebels sagen liess. Indess finden sich hierüber noch hie und da verschiedene Stellen in seinen Werken, die man nicht gut mit Stillschweigen übergehen kann. Er übertreibt oft die Schwierigkeit, die nach seiner Ansicht besteht, wenn man Gott ganz von der Schuld an der Sünde befreien will.
Er bemerkt (Antwort auf die Fragen etc. Kap. 161, S. 1024), dass Molina, im Fall er auch die Freiheit mit dem Vorherwissen vereinigt habe, doch dies nicht in Bezug auf die Verträglichkeit der Güte und Heiligkeit Gottes mit der Sünde gethan habe. Er lobt die Aufrichtigkeit derer, welche offen eingestehen (wie Piscator nach ihm gethan haben soll), dass alles zuletzt auf den Willen Gottes zurückgeführt werden müsse, und welche behaupten, dass Gott nicht aufhören würde, gerecht zu sein, selbst wenn er der Urheber der Sünde wäre und selbst wenn er Unschuldige verdamme. Auf der andern Seite, oder in andern Stellen billigt er, wie es scheint, die Ansichten derer, welche Gottes Güte auf Kosten seiner Grösse retten, wie Plutarch es in seinem Buche gegen die Stoiker thut, wo er sagt: »Es wäre vernünftiger, wenn man mit den Epikuräern anerkennte, dass unzählige Theilchen (oder Atome, die zufällig in einem grenzenlosen Raume herumspringen), durch ihre Kraft die Schwäche Jupiters überwögen und trotz seiner und gegen seinen Willen und seine Natur, viele schlechte und unsinnige Dinge zu Stande brächten, als darin einzustimmen, dass er der Urheber von aller Verwirrung und Schlechtigkeit sei.«

Das was sich hier für die eine oder die andere Partei, für oder gegen die Stoiker und Epikuräer sagen lässt, scheint Herrn Bayle zu dem epechein der Pyrrhonianer geführt zu haben, d.h. zur Zurückhaltung des Urtheils in Beziehung auf die Vernunft, sofern der Glaube bei Seite gelegt wird, dem er sich, wie er sagt, offen unterwerfe.

136. Indem er indess seine Begründungen weiter verfolgt, scheint es, als habe er die Aussprüche der Sekte des Monés, eines Ketzers aus dem dritten Jahrhundert des Christenthums, wieder aufwecken und verstärken wollen, oder die eines gewissen Paulus, eines Hauptes der armenischen Manichäer aus dem siebenten Jahrhundert, von dem sie den Namen der Paulianer erhielten. Alle diese Ketzer erneuerten das, was ein alter Philosoph im obern Asien, Namens Zoroaster, gelehrt hatte, wonach es zwei vernünftige Prinzipien aller Dinge, ein gutes und ein böses giebt. Diese Lehre herrscht bei den Indiern, wo noch jetzt viele Leute diesen Irrthum festhalten, der sehr geeignet ist, die menschliche Unwissenheit und Abergläubigkeit für sich einzunehmen, da selbst in Amerika viele wilde Völker ähnliches angenommen haben, ohne der Philosophie zu bedürfen. Die Slaven hatten (nach Helmold) ihren Zarnebog, d.h. ihren schwarzen Gott. Die Griechen und die Römer hatten trotz ihrer Weisheit einen Vejovis, oder Gegen-Jupiter, der auch Pluto hiess und daneben noch eine Menge böser Gottheiten. Die Göttin Nemesis liebte es, die sehr Glücklichen zu erniedrigen und Herodot deutet an mehreren Stellen an, dass alle Götter nach seiner Ansicht neidisch seien, was indess nicht zu der Lehre von zwei Prinzipien stimmt.

137. Plutarch kennt in seiner Abhandlung über Isis und Osiris keinen ältern Schriftsteller, der dies gelehrt habe, als den Magiker Zoroaster, wie er ihn nennt. Trogus oder Justin macht daraus einen König der Baktrier, welcher von Ninus oder Semiramis besiegt wurde. Er schreibt ihm die Kenntniss der Astronomie und die Erfindung der Magie zu; indess war diese Magie wohl die Religion der Feueranbeter und er hat anscheinend das Licht oder die Wärme als das gute Prinzip aufgefasst; indess fügte er demselben das böse Prinzip hinzu, d.h. die Dunkelheit, die Finsterniss, die Kälte. Plinius erwähnt das Zeugniss eines gewissen Hermippus, eines Auslegers von Zoroaster's Büchern, der ihn zum Schüler eines Azonacus in der Magie macht, im Fall dieser Name nicht den verdorbenen Oromases bezeichnet, über den ich noch sprechen werde, und welchen Plato im Alcibiades zum Vater des Zoroaster macht. Die neueren Orientalen nennen den griechischen Zoroaster Zerdust; er soll dem Mercur entsprechen, weil die Mittwoch (Mercredi) bei einigen Völkern ihren Namen davon erhalten hat. Seine Geschichte und die Zeit, wenn er gelebt hat, ist schwer aufzuklären. Snider setzt ihn 500 Jahr vor der Eroberung Troja's an; die Aelteren nehmen nach den Berichten von Plinius und Plutarch das zehnfache an. Indess setzt ihn der Lydier Xanthus (in der Vorrede des Diogenes Laertius) nicht früher, als 600 Jahr vor dem Feldzug des Xerxes. Plato erklärt an der erwähnten Stelle, wie Herr Bayle bemerkt, dass die Magie des Zoroaster nur in dem Studium der Religion bestanden habe. Herr Hyde sucht in seinem Buche über die Religion der alten Perser diese Magie zu rechtfertigen, und sie nicht nur von dem Verbrechen der Gottlosigkeit rein zu waschen, sondern auch von dem der Abgötterei. Der Feuerkultus bestand bei den Persern und Chaldäern. Man glaubt, dass Abraham ihn bei seinem Abgang von Ur in Chaldäa verlassen habe. Mithra war die Sonne und war auch der Gott der Perser und nach Ovid hat man ihm Pferde geopfert;

Placat equo Persis radiis Hyperiona cinctum

Ne detur celeri victima tarda Deo.

(Perses versöhnte den Strahlenbekränzten Hyperion durch ein Pferd, damit dem schnellen Gotte kein langsam sich bewegendes Opfer gebracht werde.) Indess glaubt Herr Hyde, dass die Perser bei ihrem Gottesdienst die Sonne und das Feuer nur als Symbole der Gottheit benutzten. Vielleicht muss man hier, wie anderwärts, zwischen den Weisen und dem Volke unterscheiden. In den bewundernswerthen Ruinen von Persepolis oder von Tschel-Minar (was 40 Säulen bedeutet) finden sich Reliefs, welche ihre Gebräuche darstellen. Ein holländischer Gesandter hatte sie von einem Maler mit vielen Unkosten abzeichnen lassen, welcher viel Zeit darauf verwendet hatte. Durch irgend einen Zufall kamen diese Zeichnungen in die Hände von Herrn Chardin, den bekannten Reisenden, wie er selbst erzählt und es wäre schade, wenn sie verloren gingen. Diese Ruinen gehören zu den ältesten und schönsten Bauwerken der Erde und ich wundere mich, dass ein so wissbegieriges Zeitalter, wie das unsrige, sich so wenig darum kümmert.

138. Die alten Griechen und die neueren Orientalen stimmen darin überein, dass Zoroaster den guten Gott Oromazes genannt habe, oder vielmehr Oromasdes und den bösen Gott Arimanius. In Erwägung, dass die grossen Fürsten von Hoch-Asien den Namen Hormisdas führen, und dass Irmin oder Hermin ein Gott oder Heroe der Celtoscythen, d.h. der Germanen gewesen ist, ist mir der Gedanke gekommen, dass diese Arimanius oder Irmin ein alter grosser Eroberer gewesen sein mag, der von Westen gekommen ist, wie Tchingis Chan und Tamerlan, die von Osten kamen, es später gewesen sind. Ariman würde also von Nordwesten, d.h. von Germanien und Sarmatien gekommen sein; er wild durch die Alanen und Massageten gezogen und in den Staat eines Hormisdias eingefallen sein, welcher ein grosser König in Hoch-Asien war, wie andere Scythen nach dem Bericht des Herodot es zur Zeit des Cyaxares, Königs der Meder gethan haben. Dieser Monarch, welcher civilisirte Völker regiert und sie gegen die Barbaren zu vertheidigen gesucht habe, mag später bei denselben Völkern für den guten Gott gehalten worden sein, während das Haupt der Verwüster zum Symbol des bösen Prinzips geworden, was alles ganz natürlich ist. Nach dieser Mythologie scheinen diese beiden Fürsten lange mit einander gekämpft zu haben, ohne dass einer den andern besiegt hat. So haben sich beide als die beiden Prinzipien erhalten und nach der, dem Zoroaster zugeschriebenen Hypothese, sich in die Herrschaft der Welt getheilt.

139. Es bleibt also nur zu beweisen, dass ein alter Gott oder Heroe der Germanen Hermann, oder Ariman, oder Irmin genannt worden ist. Tacitus berichtet, dass die drei Völker, welche Germanien bildeten, die Ingävonen, die Istävonen und die Herminonen oder Hermionen nach den drei Söhnen des Mannus benannt worden. Mag dies wahr sein oder nicht, so zeigt es doch, dass ein Heroe, Namens Hermin, bestanden hat, von dem die Hermionen, wie dem Tacitus gesagt worden, ihren Namen erhalten hatten. Herminons, Hermenner, Hermunduri bezeichnen dasselbe, nämlich Soldaten. Selbst in der spätem Geschichte waren die Arimanni militärische Männer und in dem Lombardischen Recht giebt es ein Leim von Arimandia.

140. Ich habe anderwärts gezeigt, dass anscheinend der Name eines Theils von Germanien dem Ganzen beigelegt worden und dass nach diesem Namen Hermionen oder Hermunduren alle deutschen Völker Hermannen oder Germanen genannt worden sind; denn der Unterschied dieser beiden Worte liegt nur in der Betonung des H. Ebenso unterscheidet sich der Anfangslaut in dem Germani der Römer und dem Hermanos der Spanier oder in dem Gammarus der Lateiner und dem Hummer (einem Seekrebs) der Niederdeutschen. Auch kommt es oft vor, dass der Name eines Theiles einer Nation auf die ganze übertragen wird; so sind alle Germanen von den Franzosen Alemannen genannt worden, obgleich dieser Name nach dem alten Gebrauch nur den Schwaben und Schweizern zukommt. Obgleich Tacitus den Ursprung des Namens Germanen nicht recht gekannt hat, sagt er doch etwas, was diese meine Ansicht unterstützt, indem es nach ihm der Name von etwas Erschreckendem oder Erschrecklichem ist, wie das lateinische ob metum (aus Furcht). Es bedeutet nämlich einen Krieger; Heer, Hari ist das Heer; davon kommt Hariban oder Ruf des Haro, d.h. ein allgemeiner Befehl, sich in dem Heere einzufinden, was man in Arriere-Ban verunstaltet hat. Deshalb ist Hariman oder Ariman, German oder Guerremann ein Soldat. Denn so wie Hari, Heer die Armee ist, so bezeichnet Wehr die Waffen; wehren, fechten, Kriegführen; das Wort Guerre, Guerra kommt offenbar aus demselben Stamm. Ich habe bereits von dem feudum Arimandiae (Lehn in Bezug auf den Heerbann) gesprochene nicht blos die Herminonen oder Germanen bedeuten dasselbe, sondern auch jener alte Herman, der angebliche Sohn von Mannus hat diesen Namen anscheinend erhalten, um ihn damit vorzugsweise als Krieger zu bezeichnen.

141. Indess handelt nicht blos diese Stelle bei Tacitus von diesem Gotte oder Heroen; sicherlich hat es einen solchen bei diesen Völkern gegeben, denn Karl der Grosse hat in der Nähe der Weser die sogenannte Irminsäule angetroffen und zerstört, welche zu Ehren dieses Gottes errichtet worden war. Dies in Verbindung mit der Stelle bei Tacitus zeigt, dass dieselbe nicht dem berühmten Arminius, dem Feind der Römer gegolten hat, sondern der Cultus hat einem grösseren und älteren Heroen gegolten. Arminius hatte zwar den gleichen Namen, wie ja auch heutzutage noch viele Hermann heissen, aber Arminius war nicht gross, nicht glücklich und durch ganz Germanien nicht bekannt genug, um die Ehre eines öffentlichen Cultus zu erlangen, der selbst bei entfernteren Völkern, wie bei den Sachsen bestand, die erst lange nach ihm in das Land der Cherusker gekommen sind. Unser Arminius, welchen die Asiaten für den bösen Gott halten, bestätigt diese meine Meinung; denn in diesen Fragen bestätigt eines das andere auch ohne logischen Cirkel, gegenseitig, sofern ihre Grundlagen sich auf dasselbe Ziel richten.

142. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Hermes (d.h. Mercur) der Griechen derselbe Hermin oder Ariman ist. Er kann der Erfinder oder Beförderer der Künste und eines etwas mehr civilisirten Lebens bei denen seiner Nation und in den Ländern gewesen sein, wo er der Herr war, und dabei konnte er sehr wohl bei seinen Feinden für den Urheber der Unordnung gelten. Wer weiss, ob er nicht bis nach Egypten gekommen ist; auch die Scythen kamen bei der Verfolgung des Sesostris in die Nähe dieses Landes. Theut, Menes und Hermes waren in Egypten bekannt und geehrt. Sie könnten Tuisco, sein Sohn Mannus und Herman, des Mannus Sohn nach des Tacitus Genealogie sein. Menes gilt für den ältesten König von Egypten; Theut war bei ihnen ein Name für Mercur. Wenigstens ist der Name Theut oder Tuisco, von dem nach Tacitus die Germanen abstammen, und von dem die Teutonen, Tuitsche (d.h. Germanen) noch heute den Namen haben, derselbe mit dem Teutotes, welchen nach Lucian die Gallier verehrten und welchen Cäsar für den Dito Patre oder Pluto genommen hat, weil dessen lateinischer Name dem Namen Theut oder Thiet, Titan, Theodore ähnelt, welcher in alten Zeiten Männer, Völker und auch einen ausgezeichneten Mann (wie das Wort Baron) und endlich einen Prinzen bezeichnete. Es giebt für alle diese Bedeutungen Gewährsmänner, ich darf mich indess nicht dabei aufhalten. Herr Otto Sperling, welcher sich durch mehrere gelehrte Schriften bekannt gemacht und von dem noch mehrere bald erscheinen werden, hat in einer Abhandlung ausdrücklich über den Teutotes, einen celtischen Gott gehandelt. Einige Bemerkungen, die ich ihm darüber mitgetheilt, sind mit seiner Antwort in die literarischen Neuigkeiten vom Baltischen Meer aufgenommen worden. Er verstellt etwas anders als ich jene Stelle bei Lucian:

Teutates, pollensque feris altaribus Hesus

El Taramis, Scythicae non mitior ara Dianae.

(Teutates und Hesus mit der Menge seiner wilden Altäre

Und Taramis, der nicht mildere Altar der Scythischen Diana.)

Hesus scheint der Gott des Krieges gewesen zu sein, welchen die Griechen Ares und die alten Deutschen Erich nannten; der Dienstag, Mardi hat noch von ihm den Namen Erich-Tag. Die Laute R und S, welche demselben Organ zugehören, werden leicht vertauscht; z.B. Moor und Moos, Geren und Gesen; Er war und Er was; Fer, Hierro, Eiron, Eisen. Ebenso Papisius, Valesius, Fusius statt Papirius, Valerius, Furius bei den alten Römern. Was Taramis oder vielleicht Taranis anbetrifft, so ist bekannt, dass Taranden Donner bedeutete, oder den Donnergott (den die alten Gelten Tor nannten) bei den westlichen Germanen. Bei den Engländern hat sich daran der Name Thursdag, jeudi, dies Jovis erhalten. Die Stelle bei Lucian will also sagen, dass der Altar des Taran, des Gottes der Gelten nicht weniger grausam war, als der der Taurischen Diana; Taranis aram non mitiorem ara Dianae Scythicae fuisse.

143. Es ist auch möglich, dass zu einer Zeit abendländische oder celtische Fürsten sich zu Herren von Griechenland, Egypten und einem Theil von Asien gemacht haben und dass deren Cultus sich in diesen Ländern erhalten hat. Wenn man bedenkt, mit welcher Schnelligkeit die Hunnen, die Saracenen und die Tartaren eines grossen Theils von unserm Continent sich bemächtigt haben, so wird man dies weniger wunderbar finden; auch bestätigt es die grosse Zahl von übereinstimmenden Worten in der deutschen und celtischen Sprache. Callimachus scheint in einem Lobgesang auf Apoll anzudeuten, dass die Gelten, welche unter ihrem Brennus oder Anführer den Tempel zu Delphi angriffen, zur Nachkommenschaft der alten Titanen und Riesen gehörten, welche gegen Jupiter und die anderen Götter, d.h. asiatische und griechische Fürsten Krieg führten; ja Jupiter selbst kann vielleicht von Titan oder Theodon abstammen, d.h. von früheren celto-scythischen Fürsten und damit stimmt das, was der verstorbene Abt von Charmoye über die Abkunft der Gelten gesammelt hat, wenngleich manches andere in dem Werke dieses gelehrten Verfassers nicht wahrscheinlich erscheint, namentlich dass er die Germanen nicht zu den Gelten rechnet. Er erinnert sich dabei nicht genügend der Berichte der Alten und er hat die Beziehungen zwischen der alten celtischen und germanischen Sprache nicht genügend gekannt. Also waren die angeblichen Riesen, welche den Himmel stürmen wollten, spätere Gelten, welche der Fährte ihrer Vorfahren nachgingen, und Jupiter, obgleich so zu sagen ihr Verwandter, war genöthigt, sich ihnen zu widersetzen, wie die Westgothen, welche sich unter den Gelten niedergelassen hatten in Gemeinschaft mit den Römern sich den übrigen germanischen und scythischen Völkerschaften entgegenstellten, die ihnen unter der Führung Attila's nachfolgten, welcher damals die scythischen, sarmatischen und germanischen Stämme von den Grenzen Persiens bis zum Rhein beherrschte. Indess hat das Vergnügen, wenn man in den Götter-Mythologien Spuren einer Geschichte fabelhafter Zeiten findet, mich vielleicht zu weit fortgeführt und ich weiss nicht, ob ich mich dabei besser vorgesehen, wie Goropius Becanus, wie Schrick, wie Herr Rudbek und der Abt von Charmoye.

144. Ich kehre zu Zoroaster zurück, welcher uns zu Oromasdes und Arimanus gebracht hat, den Urhebern des Guten und Bösen. Wir wollen annehmen, dass er sie als zwei ewige Prinzipien aufgefasst habe, die einander entgegenstehen, obgleich diese Annahme nicht unzweifelhaft ist. Man glaubt, dass Marcion, der Schüler des Cerdon, dieser Ansicht mit Manes gewesen sei. Herr Bayle erkennt an, dass diese Männer ihre Meinungen nur schwach begründet haben; er meint, dass sie ihren Vortheil nicht genügend erkannt und ihren stärksten Grund, nicht geltend gemacht hätten, nämlich die Schwierigkeit, die Entstehung des Uebels zu erklären. Er meint, ein geschickter Mann von ihrer Seite hätte die Orthodoxen sehr in Verlegenheit bringen können, und anscheinend hat er selbst in Ermangelung eines Andern dieses Geschäft übernommen, was nach dem Urtheil Vieler gar nicht nöthig war. Er sagt in seinem Wörterbuch im Artikel Marcion S. 2039: »Alle von den Christen aufgestellte Hypothesen wenden die gegen sie geführten Hiebe nicht ab; wenn sie thätig vorgingen, würden sie alle triumphiren, aber sie verlieren all ihre Vortheile, wenn sie sich auf Vertheidigung gegen die Angriffe beschränken.« Er gesteht, dass die Dualisten (wie er sie mit Herrn Hyde nennt), d.h. die Vertheidiger zweier Prinzipien sehr bald durch Gründe a priori in die Flucht geschlagen sein würden, welche von der Natur Gottes entnommen wären, aber er meint, dass sie ihrerseits triumphiren, wenn man zu den Gründen a posteriori greift, die von dem Dasein des Uebels zu entnehmen sind.

145. Er geht hierbei in seinem Wörterbuch beim Artikel: Manichäer S. 2025 in viele Einzelheiten ein, die man zur bessern Aufklärung der Sache näher betrachten muss. Er sagt: »Die sichersten und klarsten Begriffe von Ordnung lehren uns, dass ein Wesen, welches durch sich selbst besteht, welches nothwendig und ewig ist, auch einzig, unendlich, allmächtig und mit jeder Art von Vollkommenheit ausgestattet sein muss.« Diese Begründung hätte wohl etwas ausführlicher sein sollen. Er fährt dann fort: »Man muss jetzt prüfen, ob die Vorgänge in der Natur sich durch die Annahme eines einzigen Prinzips bequem erklären lassen.« Ich habe dies genügend dadurch gethan, dass ich gezeigt, wie in einzelnen Fällen einige Unordnung in einem Theile nothwendig ist zur Erzeugung einer grössern Ordnung im Ganzen. Herr Bayle scheint aber etwas zu viel zu fordern; er will, dass man ihm im Einzelnen zeige, wie das Uebel mit dem besten Plane für das Universum verknüpft sei. Dies wäre eine vollständige Erklärung der Vorgänge; allein ich unternehme dies nicht und bin auch dazu nicht genöthigt, da man zu dem in unserem Zustande Unmöglichen nicht verpflichtet sein kann; es genügt die Erkenntniss, dass ein einzelnes Uebel mit dem für das Ganze Besten sehr wohl verknüpft sein kann. Diese unvollkommene Erklärung, welche eine weitere Aufklärung in jenem Leben gestattet, genügt zur Widerlegung der Einwürfe, wenn auch nicht zum begreifen der Dinge.

146. Herr Bayle fügt hinzu: »Die Himmel und alles Uebrige im Universum predigen den Ruhm, die Macht, die Einheit Gottes.« Hier hätte daraus gefolgert werden sollen, dass dies geschehe (wie ich schon oben bemerkt habe), weil man in diesen Dingen so zu sagen einen ganzen und vereinzelten Gegenstand sieht. Allemal, wenn man ein solches Werk Gottes erblickt, findet man es so vollendet, dass man dessen Kunst und Schönheit bewundern muss. Sieht man aber kein ganzes Werk, sondern nur Stücke und Lappen, so ist es nicht zu verwundern, wenn diese gute Ordnung sich nicht zeigt. Unser Planetensystem stellt ein solches vereinzeltes Werk vor, was, für sich betrachtet vollkommen erscheint; jede Pflanze, jedes Thier, jeder Mensch ist ein solches bis zu einem gewissen Punkte vollkommenes Werk; man sieht in ihm das wunderbare Kunstwerk seines Urhebers; aber das menschliche Geschlecht ist, so weit wir es kennen, doch nur ein Bruchstück, ein kleiner Theil des Staates Gottes oder des Freistaats der Geister.
Dieser ist für uns zu ausgedehnt, wir wissen zu wenig von ihm, um seine wunderbare Ordnung erkennen zu können. Herr Bayle sagt: »Der Mensch allein, dieses Meisterwerk seines Schöpfers unter den sichtbaren Dingen, der Mensch allein bietet Anlass zu grossen Einwürfen gegen die Einheit Gottes.« Auch Claudian hat dieselbe Bemerkung gemacht und sein Herz durch die bekannten Verse erleichtert:

Saepe mihi dubiam traxit sententia mentem etc.

(Oft hat der Ausspruch Zweifel in meinem Geiste erregt u.s.w.)

Allein die Harmonie in allem Uebrigen spricht sehr dafür, dass sie auch in der Leitung der Menschen bestehen werde und überhaupt in der Leitung der Geister, wenn wir das Ganze kennten. Man muss über die Werke Gottes so verständig urtheilen, wie Socrates über die des Heraclit es mit den Worten that: »Das was ich davon verstehe, gefällt mir und ich glaube, dass auch das Uebrige mir gefallen würde, wenn ich es verstände.«

147. Es giebt auch noch einen besondern Grund für die scheinbare Unordnung in Betreff des Menschen; er liegt in dem Geschenke der Ebenbildlichkeit Gottes, welches ihm gewährt worden, indem ihm die Vernunft gegeben worden. Gott lässt den Menschen in seinem kleinen Bezirk wirthschaften, ut Spartam, quam nactus est, ornet. (Damit er das Sparta, was er erlangt, schmücke.) Gott wirkt dabei nur in verborgener Weise, indem er dem Menschen das Sein, das Leben, die Vernunft gewährt, ohne sich sehen zu lassen. Hier treibt der freie Wille sein Spiel und Gott erfreut sich, so zu sagen, an diesen kleinen Göttern, deren Erschaffung er für gut befunden, so wie wir uns an den Thätigkeiten der Kinder erfreuen, die wir unter der Hand bald befördern, bald hemmen, wie es uns gefällt. Der Mensch ist daher ein kleiner Gott in seiner eignen Welt, oder in dem Mikrokosmos, den er nach seiner Weise regiert; er bringt mitunter Wunderbares zu Staude und seine Kunst ahmt oft die Natur nach.

Jupiter in parvo cum cerneret aethera vitro

Risit, et ad Superos talia dicta dedit:

Huccine mortalis progressa potentia, Divi?

Jam meus in fragili luditur orbe labor.

Jura poli, rerumque fidem, legesque Deorum

Cuncta Syracusius transtulit arte Senex

Quid falso insontem tonitru Salmonea miror?

Aemulo naturae est parva reperta manus.

(Als Jupiter im kleinen Glase die Oberwelt schaute

Lachte er und sprach folgendes zu den Göttern:

So weit ist schon die Macht der Sterblichen gelangt?

Schon wird meine Arbeit in dem gebrechlichen Erdkreis verlacht

Die Mächte des Pols, die Zuverlässigkeit der Dinge, die göttlichen Gesetze

Das alles hat der Greis von Syracus durch seine Kunst überliefert,

Was wundere ich mich über den unschuldigen Salmoneus mit seinem nachgemachten Donner?

Die kleine Hand wetteifert mit der Natur.)
 

Aber es bleiben auch die grossen Fehler nicht aus, weil der Mensch sich seinen Leidenschaften hingiebt, und Gott ihn seinen Sinnen überlässt; er straft ihn auch deshalb, bald wie ein Vater oder Lehrer, der die Kinder übt und züchtigt, bald wie ein gerechter Richter, welcher diejenigen bestraft, die ihn verlassen und das Uebel kommt meist davon, dass diese verschiedenen verständigen Wesen oder deren kleine Welten sich unter einander stossen. Der Mensch befindet sich dabei übel, so weit er Unrecht hat; allein Gott verwendet in wunderbarer Kunst alle Mängel dieser kleinen Welten zum grössten Schmuck seiner grossen Welt, gleich den perspektivischen Erfindungen, wo gewisse schöne Zeichnungen nur wie Verwirrungen sich zeigen, bis man sie von der richtigen Stelle aus betrachtet, oder bis man sie durch ein besonderes Glas oder einen Spiegel sieht. Indem man sie richtigstellt und benutzt, werden sie zur Zierde eines Zimmers. So vereinigt sich auch das scheinbar Unschöne unsrer kleinen Welten, zu Schönheiten in der grossen und nichts von ihnen steht der Einheit eines allgemeinen, unendlich vollkommenen Prinzips entgegen; vielmehr steigern sie die Bewunderung seiner Weisheit, welche das Uebel zum Mittel des grösseren Guten macht.

148. Herr Bayle fährt fort: »Dass der Mensch böse und unglücklich sei; dass es überall Gefängnisse und Krankenhäuser gebe; dass die Geschichte nur eine Sammlung von Verbrechen und Unglück des menschlichen Geschlechts sei.« – Hier dürfte die Sache etwas übertrieben sein; es giebt im menschlichen Leben unvergleichlich mehr Gutes als Schlimmes, wie es ja auch unvergleichlich mehr Wohnhäuser wie Gefängnisse giebt. In Bezug auf Tugend und Laster besteht ein gewisses Mittelmaass. Schon Machiavell hat gesagt, dass es nur wenig sehr gute und sehr schlechte Menschen gebe und dies mache deshalb grosse Unternehmungen misslingen. Jene Ansicht ist eine falsche Auffassung der Geschichtsschreiber, die sich mehr an das Schlechte, wie an das Gute halten. Das Hauptziel der Geschichte ist, wie das der Dichtkunst, durch Beispiele die Klugheit und Tugend zu lehren, das Laster in seiner Abscheulichkeit zu zeigen und was dazu treibt oder dient, es zu vermeiden.

149. Herr Bayle gesteht, »dass man überall physisches und moralisches Gute antreffe, sowie einzelne Beispiele von Tugend und von Glück und dass dies die Schwierigkeit ausmache.
Denn gäbe es (sagt er) nur Böse und Unglückliche, so brauchte man nicht die Annähme von zwei Prinzipien zu Hülfe zu nehmen.« Ich bewundere die grosse Hinneigung dieses ausgezeichneten Mannes zu diesen zwei Prinzipien und staune, dass er nicht erwogen hat, wie der Roman des menschlichen Lebens, welcher die allgemeine Geschichte des menschlichen Geschlechts bildet, in der göttlichen Vernunft neben unendlich vielen andern vorgebildet bestanden hat und dass Gott nur deshalb dessen Dasein beschlossen hat, weil diese Reihe von Vorgängen am meisten mit den übrigen Dingen zur Hervorbringung des Besten übereinstimmte. Diese scheinbaren Mängel der ganzen Welt, diese Flecken an einer Sonne, von welcher die unsrige nur ein Strahl ist, erhöhen nur ihre Schönheit, statt sie zu mindern und tragen dazu bei, weil sie ein grösseres Gut hervorbringen. Es giebt in Wahrheit zwei Prinzipien, aber sie sind beide in Gott, nämlich sein Wissen und sein Wollen. Das Wissen bietet das Prinzip des Schlechten, ohne deshalb befleckt oder schlecht zu sein; es stellt die Naturen vor, wie sie in den ewigen Wahrheiten bestehen; es enthält in sich den Grund, weshalb das Uebel zugelassen worden, ist, während das Wollen nur auf das Gute gellt. Man muss auch noch ein drittes Prinzip hinzufügen, die Macht; sie geht selbst dem Wissen und dem Wollen vor, allein sie handelt so, wie das eine es zeigt und das andre es verlangt.

150. Einige (wie Campanella) haben diese drei Vollkommenheiten Gottes die ersten Primordialitäten genannt. Mehrere haben sogar darin eine geheime Beziehung auf die Dreieinigkeit gefunden; die Macht soll sich auf den Vater beziehen, d.h. auf die Göttlichkeit; die Weisheit auf das ewige Wort, welches logos bei den erhabendsten der Evangelisten heisst; der Wille oder die Liebe auf den heiligen Geist. Beinah alle Bezeichnungen und Vergleiche, welche von der Natur der verständigen Substanz entlehnt werden, haben diese Richtung.

151. Hätte Herr Bayle das hier über die Prinzipien der Dinge Gesagte beachtet, so hätte er seine eigenen Fragen auch beantworten können oder er würde wenigstens in seinen Fragen nicht fortgefahren sein, wie er es mit der folgenden thut: »Wenn der Mensch das Werk eines einzigen, allheiligen und allmächtigen Prinzips ist, wie kann er da der Krankheiten, der Kälte, der Hitze, dem Hunger, dem Durst, den Schmerzen, dem Kummer ausgesetzt sein? wie kann er dann so viele üble Neigungen haben? so viele Verbrechen begehen? Wie kann die höchste Heiligkeit ein unglückliches Geschöpf herstellen? Wird die Allmacht in Verbindung mit der unendlichen Güte ihr Werk nicht vielmehr mit Gütern überhäufen und nicht alles beseitigen, was es verletzen und betrüben könnte?« – Prudentius hat dieselbe Schwierigkeit in seiner Hamartigenie behandelt:

Si non vult Deus esse malum, cur non vetat? inquit;

Non refert auctor fuerit, factorve malorum

Anne opera in vitium sceleris pulcherrima verti

Cum possit prohibere, sinat? Quod si velit omnes

Innocuos agere Omnipotens, ne sancta voluntas

Degeneret; facto nec se manus inquinet ullo?

Condidit ergo malum Dominus, quod spectat ab alto,

Et patitur, fierique probat, tanquarn ipse crearit.

Ipse creavit enim, quod si discludere possit

Non abolet, longoque sinit grassarier usu.

(Wenn Gott will, dass das Uebel nicht sei, weshalb verbietet er es nicht? Es ist gleich, ob er der Urheber und Bewirker der Uebel ist, oder ob er es zulässt, dass seine schönsten Werke sich verbrecherischen Lastern zuwenden, da er es doch verhindern kann? Denn, wenn der Allmächtige will, so kann er Alle unschädlich werden lassen, damit der heilige Wille nicht entarte und die Hand sich mit keiner That besudle? Der Herr also, der von der Höhe herabschaut, hat das Böse bereitet; er lässt es zu und billigt dessen Vollbringen, als hätte er es selbst vollbracht. Auch hat er es selbst vollbracht, wenn er das, was er abwenden konnte, nicht beseitigte, sondern durch lange Hebung zur Erstarkung gelangen lässt.)

Indess habe ich schon genügend hierauf geantwortet. Der Mensch ist selbst die Quelle seiner Uebel; so wie er ist, war er in der göttlichen Vorstellung. Aus unnachlassbaren Gründen der Weisheit hat Gott beschlossen, dass der Mensch als solcher zum Dasein gelangen sollte. Herr Bayle hätte vielleicht diesen Ursprung des Uebels, wie ich ihn aufstelle, bemerkt, wenn er hierbei die Weisheit Gottes mit seiner Macht, seiner Güte und seiner Heiligkeit in Verbindung gebracht hätte. Ich füge noch im Vorbeigehen hinzu, dass seine Weisheit nur der höchste Grad seiner Güte ist, wie das ihr entgegengesetzte Verbrechen das schlimmste unter den Uebeln ist.

152. Herr Bayle lässt den griechischen Philosophen Melissos, als den Vertheidiger eines einzigen Prinzips (und vielleicht selbst der Einzigkeit der Substanz) mit Zoroaster, als den ersten Begründer des Dualismus kämpfen. Zoroaster gesteht, dass die Annahme des Melissos mit der Ordnung und den Gründen a priori mehr übereinstimmt, aber er bestreitet, dass sie der Erfahrung oder den Gründen a posteriori entspricht. Er sagt; »Ich übertreffe Dich in der Erklärung der Erscheinungen, was das Hauptkennzeichen eines guten Systems ist.« Allein meines Erachtens ist es keine so gute Erklärung einer Erscheinung, wenn man derselben ein ausdrückliches Prinzip zuweist, wie z.B. dem Bösen ein böses Prinzip, der Kälte ein kaltes Prinzip; es giebt nichts leichteres, nichts glätteres, als ein solches Verfahren. Es ist ziemlich ebenso, als wenn man sagt, die Peripatetiker überträfen die modernen Mathematiker in der Erklärung der Erscheinungen bei den Gestirnen, indem sie denselben einen ausdrücklichen Verstand beilegen, welcher sie leitet. Allerdings ist damit leicht zu verstehen, weshalb die Planeten ihre Bahnen so genau einhalten, während es vieler geometrischer Kenntnisse und Ueberlegungen bedarf, um zu erkennen, dass die nach der Sonne zu treibende Schwere der Planeten in Verbindung mit einem sie fortführenden Wirbel oder mit deren eigner Triebkraft, zu der elliptischen Bewegung des Keppler führen kann, welche mit den Erscheinungen so gut übereinstimmt. Ein der tiefem Erwägungen unfähiger Mensch wird hier gleich den Peripatetikern zustimmen und unsere Mathematiker als Träumer behandeln. Ein alter Anhänger von Galen wird es ebenso mit den scholastischen geheimen Kräften machen; er wird eine solche Kraft für die Bereitung des Speichels, eine andere für die Bereitung des Speisesaftes und eine andere für das Blut annehmen und jeder die entsprechende Thätigkeit zuweisen. Er wird glauben, damit Wunder was geleistet zu haben und über die angeblichen Chimären der Neuern spotten, welche die Vorgänge in den thierischen Körper mechanisch erklären wollen.

153. Die Erklärung des Uebels aus einem Prinzip, per principium maleficum, ist von derselben Art. Das Uebel bedarf dessen so wenig, wie die Kälte und der Frost. Es giebt kein primum frigidum (erstes Kalte) und kein Prinzip der Finsterniss. Auch das Uebel kommt nur von einer Beraubung; das Positive kommt darin nur als mitbegleitend vor, wie das Thätige bei der Kälte. Man sieht, dass das Wasser bei seinem Gefrieren eine eiserne Hohlkugel, in welche es eingeschlossen ist, zersprengen kann; trotzdem besteht die Kälte in einer gewissen Beraubung der Kraft; die Kälte entsteht nur aus einer Abnahme der Bewegung, welche die Theile des Flüssigen von einander entfernt hält. Wenn diese entfernende Bewegung im Wasser durch die Kälte abnimmt, so verbinden sich die Theilchen der in dem Wasser verborgenen zusammengepressten Lüfte, und wenn sie grösser geworden, sind sie mehr im Stande durch ihre Federkraft nach Aussen zu wirken; denn der Widerstand, welchem die Oberfläche der Lufttheilchen im Wasser begegnet und welcher sich deren Ausdehnung entgegenstellt, ist viel geringer und deshalb ist die Wirkung der Luft in grossen Ballen viel grösser als in kleinen, wenn auch diese kleinen Theilchen zusammen eben so viel Masse ergeben sollten, wie die grossen. Die Widerstände, d.h. die Oberflächen wachsen im quadratischen Verhältniss und die Kraft, d.h. der Inhalt oder die Erfüllung der zusammengedrückten Luftkugeln wachsen im cubischen Verhältniss ihrer Durchmesser. Somit enthält die Beraubung nur nebenbei eine Thätigkeit und Kraft.
Ich habe schon früher gezeigt, wie die Beraubung den Irrthum und die Bosheit zu verursachen vermag, und wie Gott bestimmt worden ist, sie zuzulassen, ohne dass selbst etwas von Bosheit in ihm enthalten ist. Das Uebel kommt von der Beraubung; das Positive und die Thätigkeit entstehen daraus nebenbei, wie die Kraft sich aus der Kälte erzeugt.

154. Was Herr Bayle die Paulinianer S. 2323 sagen lässt, ist nicht schlussgerecht, nämlich dass der freie Wille von zwei Prinzipien kommen solle, damit er sich eben so zum Guten, wie zum Bösen wenden könne. Vielmehr ist der Wille in sich einfach und er müsste deshalb eher von einem Prinzip kommen, was keines von jenen beiden ist, wenn diese Auffassung richtig wäre.
Der freie Wille geht vielmehr auf das Gute und wenn er auf das Böse trifft, so ist dies nur nebenbei, indem das Böse unter dem Guten verborgen und gleichsam verhüllt ist.
Die Worte, welche Ovid die Medea sagen lässt:

Video meliora proboque;

Deteriora sequor.

(Ich sehe und billige das Bessere,

aber folge dem Schlechteren.)

bedeuten, dass das Sittlich-Gute von dem Angenehm-Guten überwunden wird, indem letzteres die Seele tiefer bewegt, wenn sie von den Leidenschaften aufgeregt ist.

155. Schliesslich giebt Herr Bayle dem Melissos eine treffende Antwort, die er aber ein wenig später bekämpft. Seine Worte S. 2025 lauten: »Wenn Melissos auf die Begriffe der Ordnung achtet, so wird er zugeben, dass der Mensch, als Gott ihn schuf, nicht schlecht war; er wird sagen, dass er eine glückliche Lage von Gott empfangen, dass er aber nicht der Leuchte des Gewissens gefolgt sei, die ihn nach der Absicht seines Schöpfers auf den Weg der Tugend geleiten sollte; er sei schlecht geworden und habe es verdient, dass der allgütige Gott ihn die Wirkung seines Zornes empfinden liess. Daher ist nicht Gott die Ursache des moralischen Uebels, aber wohl des physischen Uebels, nämlich von der Strafe des moralischen Uebels, welche Strafe sich mit dem allguten Prinzip sehr wohl verträgt und nur aus einer seiner Eigenschaften folgt, nämlich aus seiner Gerechtigkeit, die ihm eben so wesentlich zukommt, wie seine Güte. Diese Antwort, die vernünftigste die Melissos geben könnte, ist im Gründe schön und gründlich, aber sie kann doch durch etwas noch schöneres und blendenderes bekämpft werden. Zoroaster entgegnet nämlich, dass das allgütige Prinzip den Menschen nicht blos frei von dem wirklichen Uebel, sondern auch frei von der Neigung zum Uebel hätte schaffen sollen. Gott habe die Sünde mit all ihren Folgen vorausgesehen und hätte sie deshalb hindern sollen; er hätte den Menschen zu dem moralischen Guten bestimmen sollen und ihm die Kraft, dem Verbrechen sich zuzuwenden, nicht lassen sollen.« So weit Herr Bayle. Dergleichen ist zwar leicht zu sagen, aber es ist unter Befolgung der Regeln der Ordnung nicht ausführbar und hätte ohne fortwährende Wunder nicht verwirklicht werden können. Die Unwissenheit, der Irrthum, die Bosheit folgen ganz natürlich auf einander in den Wesen, die, wie wir geschaffen sind; sollte deshalb diese Gattung in dem Universum ganz fehlen? Ich meine, sie ist zu wichtig, trotz all ihrer Schwächen, als dass Gott sie hätte beseitigen können.

156. Herr Bayle setzt in dem Artikel Paulinianer in seinem Wörterbuch das in dem Artikel: Manichäer begonnene fort. Nach ihm (S. 2330, Buchstabe: H.) scheinen die Orthodoxen zwei erste Prinzipien anzunehmen, da sie den Teufel zum Urheber der Sünde machen. Herr Becker, ein früherer Prediger in Amsterdam und Verfasser eines, die bezauberte Welt, betitelten Buches, hat diesen Gedanken benutzt, um zu zeigen, dass man dem Teufel nicht eine Macht und ein Ansehen zutheilen dürfe, die ihn Gott gleich stellten. Darin hat er Recht; aber er geht in seinen Folgerungen zu weit. Der Verfasser des Buches: apokatastasis pantôn (Aller Abfall) meint, dass, wenn der Teufel niemals besiegt und seiner Macht beraubt worden wäre, wenn er seine Beute immer festhielte, wenn der Titel eines Unbesieglichen ihm gebühre, dies dem Ruhme Gottes schaden würde. Indess wäre es ein trauriger Vortheil, die, welche man verführt hat, immer festzuhalten, damit man immer mit ihnen gemeinsam die Strafe erleide. Was aber die Ursache des Uebels anlangt, so ist allerdings der Teufel der Urheber der Sünde; allein der Ursprung der Sünde liegt weiter zurück und in der ursprünglichen Unvollkommenheit der Geschöpfe, wodurch sie fähig sind, zu sündigen und in Folge des Laufes der Dinge treten Umstände ein, welche machen, dass diese Fähigkeit sich in wirkliches Handeln umsetzt.

l57. Die Teufel waren vor ihrem Fall Engel, wie die übrigen und ihr Führer war wohl einer der vornehmsten, obgleich die Schrift sich darüber nicht bestimmt auslässt. Die Stelle in der Offenbarung Johannis, welche von dem Kampfe mit dem Drachen wie von einer Vision spricht, lässt viele Zweifel bestehen und macht einen Gegenstand, von dem die übrigen heiligen Verfasser beinah nicht sprechen, nicht klar. Es ist hier nicht der Ort, dies näher zu erörtern, indess dürfte die gewöhnliche Meinung mit dem heiligen Text auch am meisten übereinstimmen. Herr Bayle prüft einige Aeusserungen des heiligen Basilius, des Lactanz und Anderer über den Ursprung des Uebels; allein sie beschäftigen sich mehr mit dem physischen Uebel, ich werde deshalb später darauf zurück kommen und hier nur in der Prüfung der Schwierigkeiten in Betreff der moralischen Ursache des Uebels fortfahren, welche sich an mehreren Stellen in den Werken unseres gewandten Schriftstellers vorfinden.

158. Er kämpft gegen die Zulassung dieses Uebels; er möchte, dass man einräume, Gott wolle es. Er führt die Worte Calvin's an (Ueber die Genesis Kap. 3): »Manche finden daran einen Anstoss, wenn man sagt Gott habe es gewollt. Allein ist wohl das Gestatten etwas Anderes, als ein Wollen bei dem, der es verbieten kann, oder vielmehr der die Sache in seiner Gewalt hat?« Herr Bayle erläutert diese Worte Calvin's und die vorgehenden so, als wenn er einräumte, dass Gott den Sündenfall Adam's gewollt habe, zwar nicht insofern, als es ein Verbrechen gewesen, aber doch in einer andern, uns unbekannten Auffassung. Er führt die etwas nachgiebigen Casuistiker an, wonach ein Sohn den Tod seines Vaters insoweit wünschen darf, als dieser Tod ein Gut für dessen Erben sei (Antwort auf die Fragen etc. Kap. 147, S. 850). Indess sagt Calvin nach meiner Ansicht nur, Gott habe aus einem uns unbekannten Grunde den Fall des Menschen gewollt. Im Grunde sind diese Unterscheidungen ohne Werth, wenn es sich um den entscheidenden Willen, d.h. um einen Beschluss handelt; denn man will die Handlung in ihrer ganzen Beschaffenheit, wenn es richtig ist, dass man sie wolle. Ist sie aber ein Verbrechen, so kann Gott nur ihre Gestattung wollen; das Verbrechen ist weder Ziel noch Mittel, sondern nur eine Bedingung sine qua non (ohne welche der Erfolg unmöglich ist); deshalb ist es nicht der Gegenstand eines direkten Willens, wie ich schon früher dargelegt habe. Gott kann es nicht hindern, ohne gegen das zu handeln, was geschehen soll, ohne etwas zu thun, was schlimmer, als die menschlichen Verbrechen ist und ohne die Regel des Besten zu verletzen, was, wie ich schon gesagt, die Göttlichkeit selbst zerstören würde. Gott ist deshalb durch eine moralische, in ihm selbst enthaltene Nothwendigkeit verpflichtet, das moralische Uebel bei den Geschöpfen zuzulassen. Es ist dies genau der Fall, wo der Wille eines Weisen nur erlaubender Natur ist. Wie ich gesagt, Gott ist genöthigt die Verbrechen Anderer zu gestatten, da er sie ohne Verstoss gegen das, was er sich selbst schuldig ist, nicht hindern kann.

159. »Aber« (sagt Herr Bayle S. 853) »unter allen unzähligen Plänen hat es Gott gefallen, den zu wählen, wo Adam sündigen soll, und er hat diesen Plan vor allen andern vorgezogen und durch seinen Beschluss zu dem gemacht, welcher sich verwirklichen soll.« Ganz gut; dies ist ganz das, was ich behaupte; nur muss man es von den, das ganze Universum umfassenden Erwägungen verstehen. Herr Bayle fügt hinzu: »Man kann also niemals begreiflich machen, dass Gott das Sündigen von Adam und Eva nie gewollt habe; denn er hat ja alle die andern Pläne, wo sie nicht gesündigt hätten, verworfen.« Allein die Sache ist im Allgemeinen sehr wohl nach dem von mir Gesagten zu begreifen. Dieser das ganze Universum betreffende Plan ist der beste; Gott konnte also von dessen Wahl sich nicht befreien, ohne einen Fehler zu begehen, vielmehr gestattete er, anstatt dass er einen Fehler beginge, was für ihn durchaus nicht angeht, den Fehler oder die Sünde des Menschen, welche in diesem Plan mit enthalten ist.

160. Herr Jacquelot und andere bedeutende Männer trennen sich nicht von meiner Ansicht; jener sagt S. 186 seiner Abhandlung über die Zusammenstimmung des Glaubens mit der Vernunft: »Die, welche durch diese Schwierigkeit in Verlegenheit geriethen, scheinen einen zu beschränkten Gesichtspunkt zu nehmen und wollen alle Absichten Gottes auf ihre eigenen Interessen zurückführen. Als Gott die Welt schuf, hatte er nur sich selbst und seinen Ruhm im Auge; hätten wir also die Kenntniss von allen Geschöpfen, von deren mannichfachen Verbindungen und deren verschiedenen Beziehungen, so würden wir ohne Schwierigkeiten begreifen, dass die Welt vollkommen der Allweisheit des Allmächtigen entspricht.« Er sagt dann weiter (S. 232):
»Nimmt man als unmöglich an, dass Gott den schlechten Gebrauch der Willensfreiheit nicht hemmen konnte, ohne diese selbst zu vernichten so wird man einsehen, dass, wenn seine Weisheit und sein Ruhm ihn bestimmt haben, freie Geschöpfe zu bilden, dieser mächtige Grund ihn über die schlimmen Folgen hinwegheben musste, die diese Freiheit nach sich ziehen werde.« – Ich habe dies noch deutlicher durch den Grund des Besten und durch die moralische Nothwendigkeit darzulegen gesucht, mit welcher Gott diese Wahl trotz der damit verbundenen Sünde einiger Geschöpfe treffen musste. Ich glaube diese Schwierigkeit bis auf die Wurzel beseitigt zu haben; doch wende ich sehr gern, um die Materie mehr aufzuklären, mein Prinzip der Lösung auf die besondern Schwierigkeiten des Herrn Bayle an.

161. Eine davon fasst er in folgende Worte (Kap. 148, S. 856): »Entspräche es wohl der Güte eines Fürsten, wenn er 1) hundert Boten so viel Geld, wie zu einer Reise von zweihundert Stunden nöthig ist, giebt? und wenn er 2) allen eine Belohnung versagt, welche die Reise ohne etwas zu borgen vollenden würden, aber alle mit Gefängniss bedroht, die mit ihrem Gelde nicht ausgekommen sind? und wenn er 3) hundert Personen auswählt, von denen er sicher weiss, dass nur zwei von ihnen die Belohnung sich verdienen werden, während die anderen 98 auf dem Wege einen Spieler oder sonst etwas treffen werden, was ihnen Kosten verursacht und was der Fürst selbst an bestimmten Stellen ihres Weges hergerichtet hat? und wenn er dann 4) diese 98 Boten sofort nach deren Rückkunft einsperren lässt? Ist es nicht ganz klar, dass hier der Fürst nicht die mindeste Güte diesen erwiesen, sondern dass er ihnen nicht die ausgesetzte Belohnung, sondern das Gefängniss bestimmt hat? Sie haben es verdient. Gut, aber der, welcher gewollt, dass sie es verdient, oder der sie auf den Weg geführt, wo sie es sicherlich verdienen mussten, kann man den wohl gütig nennen, weil er die beiden anderen belohnen werde?«

Aus diesem Grunde würde er unzweifelhaft nicht den Titel eines Gütigen verdienen; allein es können andere Umstände mit hinzukommen, welche ihn des Lobes würdig machen dürften, dass er sich dieses Mittels bedient, um diese Leute kennen zu lernen und eine Auswahl unter ihnen zu treffen. Auch Gideon bedient sich einiger ausserordentlicher Mittel, um die tapfersten und festesten unter seinen Soldaten auszuwählen. Selbst wenn der Fürst schon die Gemüthsart Aller kennen sollte, könnte er sie nicht doch auf diese Probe stellen, damit auch die übrigen sie kennen lernten? Wenn auch diese Gründe nicht auf Gott passen, so zeigen sie doch, wie eine solche Handlung bei einem Fürsten deshalb verkehrt erscheinen kann, weil man sie von den Umständen loslöst, die ihren Grund erkennen lassen. Deshalb muss man um so mehr bei Gott annehmen, dass er gut gehandelt habe und dass wir das einsehen würden, wenn wir das Ganze seines Handelns kennten.

162. Herr Descartes hat in einem Briefe an die Prinzess Elisabeth (Bd. 1. Brief 10) einen andern Vergleich benutzt, um die Freiheit der Menschen mit der Allmacht Gottes zu vereinigen. »Er nimmt an, dass ein Monarch die Duelle verboten habe. Er weiss dabei gewiss, dass zwei Edelleute sich schlagen werden, wenn sie sich treffen und er trifft solche Massregeln, dass sie sich begegnen müssen. Dies geschieht auch und sie schlagen sich; ihr Ungehorsam gegen das Gesetz ist eine Folge ihres freien Willens und sie sind deshalb strafbar. Was nun,« fährt er fort, »ein König in Bezug auf einzelne Handlungen seiner Unterthanen thun kann, thut Gott mit seinem unendlichen Vorauswissen und seiner Allmacht untrüglich, in Bezug auf alle Handlungen der Menschen. Ehe er uns in diese Welt gesetzt hat, hat er genau alle Neigungen unseres Willens gekannt; er selbst hat sie uns gegeben; auch ist er es, welcher alle Dinge ausserhalb unserer so eingerichtet hat, dass die und die Gegenstände sich unseren Sinnen zu dieser und dieser Zeit vorstellen werden und er hat gewusst, dass in Folge dessen unser freier Wille uns zu dieser und dieser Handlung bestimmen werde, folglich hat er dies gewollt; aber er hat uns dazu nicht zwingen wollen. So wie man nun bei jenem Könige zwei verschiedene Grade von Willen unterscheiden kann, einen, wonach er gewollt, dass diese Edelleute sich schlagen, weil er es so eingerichtet, dass sie sich treffen mussten und einen zweiten, wonach er es nicht gewollt hat, weil er die Duelle verboten hat, so unterscheiden die Theologen auch in Gott einen unbedingten und unabhängigen Willen, vermöge dessen er will, dass alle Dinge sich so zutragen, wie sie sich zutragen und einen andern bezüglichen, welcher das Verdienst oder die Schuld der Menschen betrifft und vermöge dessen er will, dass man seinen Gesetzen gehorche.« (Descartes, Brief 10, Bd. I, S. 51. 52. Damit vergleiche man, was Herr Arnaud, Bd. II, S. 288 und nach seinen Betrachtungen über das System von Malebranche in Bezug auf den vorgehenden und nachfolgenden Willen Gottes von Thomas von Aquino berichtet.)

163. Herr Bayle entgegnet nun hierauf das Folgende. (Antwort auf die Fragen etc. Kap. 154, S. 943). »Dieser grosse Philosoph ist, wie mir scheint, in grossem Irrthume. In diesem Monarchen hat kein Grad des Willens, weder ein kleiner, noch grosser, dahin bestanden, dass diese beiden Edelleute dem Gesetze gehorchen und sich nicht schlagen sollten. Er wollte vollständig und ausschliesslich, dass sie sich schlügen. Dies würde sie zwar nicht schuldlos machen, denn sie folgten nur ihrer Leidenschaft, sie wussten nicht, dass sie dem Willen ihres Fürsten gemäss handelten; aber der Fürst würde doch in Wahrheit die Ursache ihres Kampfes sein und er konnte ihn sogar nicht vollständiger wünschen, selbst wenn er ihnen den Willen dazu eingeflösst oder den Befehl dazu gegeben hätte. Man nehme zwei Fürsten, welche beide wünschen, dass ihr erstgeborner Sohn sich vergifte. Der eine zwingt den Sohn, der andere begnügt sich, heimlich seinem Sohne einen solchen Kummer zu bereiten, von dem er sicher weiss, dass der Sohn sich deshalb vergiften werde. Kann man da zweifeln, dass der Wille des letztem weniger vollständig sei, als der Wille des ersten? Also nimmt Herr Descartes einen falschen Thatbestand an und löst die Schwierigkeit nicht.«

 

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