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Edmund Husserl
III. Transzendentale Phänomenologie und Philosophie als universale Wissenschaft in absoluter Begründung 11. Die transzendentale Phänomenologie als Ontologie. 11. Die transzendentale Phänomenologie als Ontologie In Erwägung der Tragweite der transzendentalen Phänomenologie ergeben sich merkwürdige Konsequenzen.
12. Die Phänomenologie und die Grundlagenkrisis der exakten Wissenschaften Überlegen wir das Wie dieses Enthaltens, so ist damit gemeint, daß jedes Apriori in seiner Seinsgültigkeit festgelegt ist als transzendentale Leistung, also in eins mit den Wesensgestalten ihrer Konstitution, der Arten und Stufen ihrer Selbstgebung und Bewährung und der zugehörigen Habitualitäten. Darin liegt, daß in und mit der Feststellung des Apriori die subjektive Methode dieser Feststellung durchsichtig gemacht ist, daß es also für die apriorischen Disziplinen, die innerhalb der Phänomenologie zur Begründung kommen (z. B. als mathematische Wissenschaften) keine »Paradoxien«, keine »Grundlagenkrisen« geben kann. Hinsichtlich der historisch gewordenen apriorischen Wissenschaften, geworden in transzendentaler Naivität, ergibt sich als Konsequenz, daß nur eine radikale phänomenologische Begründung sie in echte, methodisch sich völlig rechtfertigende Wissenschaften verwandeln kann. Eben damit aber hören sie auf, positive (dogmatische) Wissenschaften zu sein und werden zu unselbständigen Zweigen der einen Phänomenologie als universaler eidetischer Ontologie.
13. Die phänomenologische Begründung der Tatsachenwissenschaften und die empirische Phänomenologie Diese unendliche Aufgabe, das vollständige Universum des Apriori in seiner transzendentalen Rückbezogenheit auf sich selbst und damit in seiner Eigenständigkeit und vollendeten methodischen Klarheit darzustellen, ist ihrerseits eine Funktion der Methode für die Erzielung einer universalen und dabei voll begründeten Wissenschaft von der empirischen Faktizität. Innerhalb der Positivität fordert echte (relativ echte) empirische Wissenschaft die methodische Fundamentierung durch eine entsprechende apriorische Wissenschaft. Nehmen wir das Universum aller möglichen empirischen Wissenschaften überhaupt und fordern eine radikale, von allen Grundlagenkrisen befreite Begründung, so führt das auf das universale Apriori in der radikalen, das ist phänomenologischen Begründung. Die echte Gestalt einer universalen Wissenschaft der Faktizität ist also die phänomenologische, als das ist sie universale Wissenschaft von der faktischen transzendentalen Intersubjektivität auf dem methodischen Fundament der eidetischen Phänomenologie als Wissenschaft von einer möglichen transzendentalen Subjektivität überhaupt. Danach versteht und rechtfertigt sich die Idee einer empirischen, der eidetischen nachkommenden Phänomenologie. Sie ist identisch mit dem vollständigen systematischen Universum der positiven Wissenschaften, wofern wir sie nur von vornherein methodisch absolut begründet denken durch die eidetische Phänomenologie.
14. Die vollständige Phänomenologie als universale Philosophie Eben damit restituiert sich der ursprünglichste Begriff der Philosophie als universaler Wissenschaft aus radikaler Selbstrechtfertigung — die im alten platonischen und wiederum im cartesianischen Sinn allein Wissenschaft ist. Die streng systematisch durchgeführte Phänomenologie des vorhin erweiterten Sinnes ist identisch mit dieser alle echte Erkenntnis umspannenden Philosophie. Sie zerfällt in die eidetische Phänomenologie (oder universale Ontologie) als Erste Philosophie und in die Zweite Philosophie, die Wissenschaft vom Universum der Fakta oder der sie alle synthetisch beschließenden transzendentalen Intersubjektivität. Die Erste Philosophie ist das Universum der Methode für die Zweite und ist auf sich selbst zurückbezogen in ihrer methodischen Begründung.
15. Die »höchsten und letzten« Probleme als phänomenologische In der Phänomenologie haben alle vernünftigen Probleme ihre Stelle, also auch die traditionell sich als in irgend einem besonderen Sinn als philosophisch bezeichnenden; aus den absoluten Quellen transzendentaler Erfahrung bzw. eidetischer Anschauung erhalten sie erst in der Phänomenologie ihre echte Formulierung und die gangbaren Wege ihrer Lösung. In ihrer universalen Selbstbezogenheit erkennt die Phänomenologie ihre eigene Funktion in einem möglichen transzendentalen Menschheitsleben. Sie erkennt die aus ihm herauszuschauenden absoluten Normen, aber auch seine ursprüngliche teleologisch-tendenziöse Struktur in Richtung auf die Enthüllung dieser Normen und ihre praktische bewußte Auswirkung. Sie erkennt sich dann als Funktion der universalen Selbstbesinnung der (transzendentalen) Menschheit im Dienste einer universalen Vernunftpraxis, das ist im Dienste des durch die Enthüllung frei werdenden Strebens in Richtung auf die im Unendlichen liegende universale Idee absoluter Vollkommenheit oder, was dasselbe, in Richtung auf die — im Unendlichen liegende — Idee einer Menschheit, die in der Tat und durchaus in Wahrheit und Echtheit sein und leben würde. Sie erkennt ihre selbstbesinnliche Funktion für die relative Verwirklichung der korrelativen praktischen Idee eines im zweiten Sinne echten Menschheitslebens (dessen Wesensgestalten und praktische Normen sie zu erforschen hat), nämlich als eines bewußt und willentlich auf jene absolute Idee gerichteten. Kurzum die metaphysisch teleologischen, die ethischen, die geschichtsphilosophischen Probleme nicht minder wie selbstverständlich die Probleme der urteilenden Vernunft liegen in ihrem Rahmen, nicht anders wie alle sinnvollen Probleme überhaupt und alle in ihrer innersten synthetischen Einheit und ihrer Ordnung als solche der transzendentalen Geistigkeit.
16. Die phänomenologische Auflösung aller philosophischen Gegensätze In der systematischen, von den anschaulichen Gegebenheiten zu den abstrakten Höhen fortschreitenden Arbeit der Phänomenologie lösen sich von selbst und ohne Künste einer argumentierenden Dialektik und ohne schwächliche Bemühung und Kompromisse die altüberlieferten vieldeutigen Gegensätze philosophischer Standpunkte auf, Gegensätze wie die zwischen Rationalismus (Platonismus) und Empirismus, Relativismus und Absolutismus, Subjektivismus und Objektivismus, Ontologismus und Transzendentalismus, Psychologismus und Antipsychologismus, Positivismus und Metaphysik, teleologischer und kausalistischer Weltauffassung. Überall berechtigte Motive, überall aber Halbheiten oder unzulässige Verabsolutierungen von nur relativ und abstraktiv berechtigten Einseitigkeiten. Der Subjektivismus kann nur durch den universalsten und konsequentesten Subjektivismus (den transzendentalen) überwunden werden. In dieser Gestalt ist er zugleich Objektivismus, sofern er das Recht jedweder durch einstimmige Erfahrung auszuweisenden Objektivität vertritt, aber freilich auch ihren vollen und echten Sinn zur Geltung bringt, an dem sich der vermeinte realistische Objektivismus in seinem Unverständnis der transzendentalen Konstitution versündigt. Der Relativismus kann nur durch den universalsten Relativismus überwunden werden, den der transzendentalen Phänomenologie, die die Relativität alles »objektiven« Seins als transzendental konstituierten verständlich macht, aber in eins damit auch die radikalste Relativität, die der transzendentalen Subjektivität auf sich selbst. Eben dies weist sich aber als der einzig mögliche Sinn des »absoluten« Seins aus — gegenüber allem zu ihm relativen »objektiven« Sein — nämlich als »Für-sich-selbst«-Sein der transzendentalen Subjektivität. Wieder: der Empirismus kann nur durch den universalsten und konsequentesten Empirismus überwunden werden, der für die beschränkte »Erfahrung« der Empiristen den notwendig erweiterten Erfahrungsbegriff der originär gebenden Anschauung setzt, die in allen ihren Gestalten (Anschauung vom Eidos, apodiktische Evidenz, phänomenologische Wesensanschauung usw.) durch phänomenologische Klärung Art und Form ihrer Rechtgebung erweist. Die Phänomenologie als Eidetik ist andererseits rationalistisch; sie überwindet aber den beschränkten dogmatischen Rationalismus durch den universalsten der auf die transzendentale Subjektivität, auf Ich, Bewußtsein und bewußte Gegenständlichkeit einheitlich bezogenen Wesensforschung. Ebenso hinsichtlich der anderen mitverflochtenen Gegensätze. Die Zurückführung alles Seins auf die transzendentale Subjektivität und ihre konstitutiven intentionalen Leistungen läßt, um noch eins zu erwähnen, keine andere als eine teleologische Weltbetrachtung offen. Und doch erkennt die Phänomenologie auch einen Kern der Wahrheit dem Naturalismus (bzw. Sensualismus) zu. Indem sie nämlich die Assoziationen als ein intentionales Phänomen sichtlich macht, ja als eine ganze Typik von Gestalten passiver intentionaler Synthesis mit einer Wesensgesetzmäßigkeit transzendentaler und rein passiver Genesis, weist sie im Humeschen Fiktionalismus, insbesondere in seiner Lehre vom Ursprung der Fiktionen Ding, verharrende Existenz, Kausalität Vorentdeckungen nach, verhüllt in absurden Theorien. Die phänomenologische Philosophie sieht sich in ihrer ganzen Methode als reine Auswirkung der methodischen Intentionen an, die schon die griechische Philosophie seit ihren Anfängen bewegen; vor allem aber der noch lebendigen Intentionen, die von Descartes in den beiden Linien des Rationalismus und Empirismus über Kant und den deutschen Idealismus in unsere verworrene Gegenwart hineinreichen. Reine Auswirkung methodischer Intentionen besagt wirkliche Methode, die die Probleme in die Bahnen konkret handanlegender und erledigender Arbeit bringt. Diese Bahn ist in der Weise echter Wissenschaft eine unendliche. Demnach fordert die Phänomenologie vom Phänomenologen, für sich dem Ideal eines philosophischen Systems zu entsagen und doch als bescheidener Arbeiter in Gemeinschaft mit anderen für eine philosophia perennis zu leben. <<< Zum Anfang
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